Reformen:Saudi-Arabien öffnet seine Armee für Frauen

Reformen: Saudische Frauen in Rumah: Ihr Anteil an der arbeitenden Bevölkerung soll von derzeit 22 auf 30 Prozent angehoben werden.

Saudische Frauen in Rumah: Ihr Anteil an der arbeitenden Bevölkerung soll von derzeit 22 auf 30 Prozent angehoben werden.

(Foto: Fayez Nureldine/AFP)
  • Die Öffnung der Armee für Frauen ist Teil eines größeren Umbaus der traditionell von Männern dominierten Gesellschaft Saudi-Arabiens.
  • Grundlage ist die Vision 2030 von Kronprinz Mohammed bin Salman.
  • Die jüngsten gesellschaftlichen Reformen gehen aber nicht mit einer politischen Öffnung einher.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Die Sensation war gut versteckt in einer Stellenausschreibung des saudischen Innenministeriums: Bis 1. März würden Bewerbungen von Frauen aus den Provinzen Riad, Mekka, Medina und al-Qasim entgegengenommen - für Soldaten-Posten im Militär des Königreichs. Frauen sollen zwar nicht in Kampfeinsätzen dienen, aber selbst viele westliche Länder haben ihre Streitkräfte erst vor wenigen Jahren für Frauen geöffnet; die Bundeswehr erlaubte Frauen nur nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2001 den Dienst an der Waffe; zuvor standen ihnen nur Laufbahnen im Sanitäts- und Militärmusikdienst offen.

Die Öffnung der Armee ist Teil eines größeren Umbaus der Gesellschaft der traditionell von Männern dominierten Gesellschaft Saudi-Arabiens, die in der ambitionierten Vision 2030 von Kronprinz Mohammed bin Salman angelegt ist. Das Strategiepapier umreißt die Entwicklungspläne und sieht vor, den Anteil von Frauen in der arbeitenden Bevölkerung von derzeit 22 auf 30 Prozent anzuheben. Als Signal in diese Richtung gilt die Ernennung von Tamadur bint Youssef al-Ramah zur stellvertretenden Ministerin für Arbeit und Soziales.

Zugleich hat der oft nur bei seinen Initialen MbS genannte Thronfolger, der überdies das Amt des Verteidigungsministers bekleidet, eine Reform der Armee und des Sicherheitsapparates angestoßen. König Salman tauschte nun per Dekret eine Reihe führender Offiziere aus. So wird Generalstabschef Abdulrahman al-Bunyan abgelöst durch seinen bisherigen Vize, Fayad al-Ruwaili. Auch erhielten Heer, Luftwaffe, die Luftverteidigung und die Raketentruppe neue Kommandeure. Gründe für die Umbesetzungen wurden nicht genannt.

Saudi-Arabien führt mit den Vereinigten Arabischen Emiraten eine Militärkoalition an, die in Jemen seit drei Jahren an der Seite der international anerkannten Regierung gegen von Iran unterstützte Huthi-Rebellen kämpft. Das vorgebliche Ziel, Präsident Abd Rabbi Mensur Hadi wieder die Macht über ganz Jemen zu verschaffen, liegt in weiter Ferne. Stattdessen wird Saudi-Arabien international immer stärker für die hohe Zahl ziviler Opfer und die katastrophale Lage der großen Mehrheit der Jemeniten verantwortlich gemacht.

Öffentlicher Widerspruch wird heute weniger geduldet als früher

Allerdings fügt sich die Personalrochade auch in den breiteren Trend ein, die Führungsebenen von Ministerien und Behörden zu verjüngen. Es geht um Posten, die lange gemäß dem Senioritätsprinzip überwiegend von Männern jenseits der siebzig gehalten wurden. Kronprinz Mohammed setzt dagegen auf das Leistungsprinzip und entsprechende Indikatoren. Er will die Dynamik der oft im Ausland ausgebildeten jungen Generation nutzen, um seine Reformen umzusetzen - finden sie doch gerade bei den Jüngeren großen Anklang. Zwei Drittel der Saudis sind unter 30, der Kronprinz selbst ist 32 Jahre alt.

Kritiker werfen ihm vor, die Umbesetzungen dienten dazu, seine Macht zu konsolidieren und die widerspenstige Bürokratie mithilfe loyaler Anhänger zu bändigen. Es gibt Stimmen, die Mohammed bin Salman überbordenden Ehrgeiz vorwerfen. Allerdings werden sie immer leiser. Die gesellschaftlichen Reformen, jüngst die Eröffnung von Kinos oder die Erteilung von Führerscheinen an Frauen, die für Juni angekündigt ist, geht aber nicht mit einer politischen Öffnung einher. Öffentlicher Widerspruch wird in der absoluten Monarchie heute weniger geduldet als früher.

Die Bewerbungskriterien für die Soldatinnen zeigen auch, wie komplex ein derart weitreichender Umbau einer Gesellschaft ist: Sie müssen mindestens 1,55 Meter groß und saudischer Herkunft sein und dürfen nicht mit Nicht-Saudis verheiratet sein. Zudem aber muss ihr männlicher Vormund in derselben Provinz leben, in der sie sich bewerben. Zwar hat der König Behörden angewiesen, Frauen alle Dienstleistungen zu gewähren, für die nicht gesetzlich das Einverständnis des Vormunds vorgeschrieben ist. Auch wurde eine Überprüfung des Systems angeordnet, das der Ausgangspunkt der grundlegenden Benachteiligung von Frauen in Saudi-Arabien ist. Die Abschaffung wurde bislang aber nicht angekündigt.

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