Reform des BND:Spione in die "Produktion"

Nach einer Reihe von Skandalen und über einem Jahr zähen Ringens ist es beschlossen: Der größte deutsche Geheimdienst bekommt nach SZ-Informationen eine neue Struktur. Das Herz des BND wird zerschlagen, eine Hierarchie-Ebene des Dienstes abgebaut.

Annette Ramelsberger

Nach mehr als einem Jahr zähen Ringens zwischen Kanzleramt und Bundesnachrichtendienst (BND) ist die Reform des größten deutschen Geheimdienstes nun beschlossen. Wie die Süddeutsche Zeitung erfuhr, soll der Dienst mit seinen 6000 Mitarbeitern vom 1. Januar 2009 an eine völlig neue Struktur bekommen.

Das bisherige Herz des BND, die Abteilungen 1 und 3, die für Beschaffung und Auswertung der geheimen Informationen zuständig sind, werden zerschlagen. Außerdem wird eine ganze Hierarchie-Ebene eingespart: An die Stelle der bisher acht Hauptabteilungen mit ihren zahlreichen Unterabteilungen treten nun zwölf Einheiten - fast alle Unterabteilungen werden gestrichen.

So soll der Dienst mit seinem Hang zum Eigenleben stärker an die Leitung des Hauses angebunden werden. Das Kanzleramt hat dem Reformplan bereits zugestimmt. Anstoß zu der Reform gab eine Reihe von Skandalen des BND, der nicht nur umstrittene Aktionen im Ausland geführt, sondern auch Journalisten im Inland bespitzelt hatte.

BND-Präsident Ernst Uhrlau war am Donnerstag in Pullach, um die Mitarbeiter zu informieren. Es handele sich um die größte Reform, die der Dienst je erlebt habe, sagte Uhrlau dort. "Der Dienst wird einen tiefgreifenen Wandel durchlaufen." Es müssten "Reibungsverluste und Friktionen" reduziert werden.

Ein Hauch von Glasnost

Quer durch den Dienst soll nun ein Hauch von Glasnost ziehen: Beschaffer und Auswerter sollen zum Beispiel über die Qualität ihrer Quellen sprechen, um die Informationen besser einschätzen zu können. Solche Offenheit war bis in die neunziger Jahre verpönt. Auch der Leitungsstab wird verkleinert. In den vergangenen Jahren hatte sich an der Spitze ein Wasserkopf entwickelt, der mit dem eigentlichen Dienst kaum noch zu tun hatte.

Insgesamt soll der BND in Zukunft auf drei Säulen ruhen, die die schönen Namen "Produktion", "Produktionsunterstützung" und "Service" tragen. Offensichtlich will der BND sich nun auch sprachlich als Service-Agentur der Regierung präsentieren und benutzt dafür das passende Manager- Deutsch.

"Den Produktionsprozess streamlinen", nennen sie beim BND das Ziel der Reform. In der zentralen Säule "Produktion" wird die inhaltliche Arbeit konzentriert: Die Abteilung 5 (die GUS-Staaten und der Westen), die Abteilung 6 (Nahost und Afrika), Abteilung 7 (Terror und überregionale Bedrohung) und die neu geschaffene Abteilung 8, die sich mit der weltweiten Proliferation von Nuklearmaterial befasst.

In der Säule "Produktionsunterstützung" sitzen das Führungs- und Informationszentrum (Abteilung 1) , außerdem die Abteilung 2, die sich mit der Auswertung von Satellitenbildern beschäftigt, die Abteilung 3, der die Auslands-Residenturen des BND unterstellt sind, und die Fernmeldeaufklärung.

Dann gibt es noch die dritte Säule, in der die umstrittene Eigensicherung des Dienstes angesiedelt ist, jene Abteilung, die Journalisten bespitzelte. Aber auch die Technik und die Verantwortung fürs Personal, die Fortbildung und die BND-Schule sind in dieser Säule. Strittig ist noch, ob die BND-Schule und die Schule der Verfassungsschützer zusammengelegt werden können.

Keine Rücksicht auf die Kleinen

Das hat das Parlament aus Kostengründen längst beschlossen, doch die Dienste wehren sich hartnäckig. Wegfallen soll spätestens 2011 der Bereich, der sich mit Umzug und Neubau des BND beschäftigt. Denn 2011 soll der Umzug nach Berlin abgeschlossen sein.

Jeder der drei neuen Säulen soll ein Vizepräsident zugeordnet werden. Das bedeutet, dass der BND einen dritten Vize bekommen wird. Bisher gibt es nur zwei davon: einen vom Auswärtigen Amt und einen Bundeswehroffizier. Um den dritten Posten ist bereits jetzt der Kampf entbrannt.

Schon wird gestreut, dass einer der Anwärter, der Verwaltungschef des BND, der den Umzug des BND vorantreibt, mit dem BND-Präsidenten verwandt sei. Das trifft nach Informationen aus der BND-Spitze nicht zu. Das Gerücht sei "dienst-typische Gehässigkeit", man könne darüber nur lachen. Die Stelle wird nun bundesweit ausgeschrieben.

Andere Gerüchte sind keine Gerüchte. So erregen sich die Mitarbeiter, die nach Berlin umziehen mussten, seit Monaten darüber, dass auf die Kleinen keine Rücksicht genommen werde, auf die Großen aber sehr. So musste die wichtige Abteilung 3 (Auswertung) nach Berlin, ihr Chef aber sitzt weiter in Pullach. Wegen seiner Familie. "Das macht böses Blut", heißt es im Dienst.

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