Reform der Sicherungsverwahrung:Nur noch für die Schlimmsten

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Nach dem Urteil zur Sicherheitsverwahrung bastelt Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger nun an einer Reform. Ihre bayerische Kollegin Merk pocht auf eine eigene Anstalt für gefährliche Täter.

W. Janisch

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) will Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger noch dieses Jahr eine grundlegende Reform der Sicherungsverwahrung auf den Weg bringen. "Wir haben bereits ein Konzept erstellt", sagte die FDP-Ministerin am Donnerstag der Süddeutschen Zeitung. Eine solche Unterbringung rückfallgefährdeter Täter über das Haftende hinaus solle auf "schwerste Straftaten" beschränkt werden.

Kündigt eine schnelle Reform der Sicherheitsverwahrung an: Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. (Foto: Foto: dpa)

Eine nachträgliche, nicht bereits im Urteil angeordnete oder vorbehaltene Sicherungsverwahrung werde dann nur noch in sehr engen Grenzen möglich sein. "Die Gerichte müssen sich schon im Strafverfahren mit der Frage befassen, ob es ein Fall der Sicherungsverwahrung sein kann."

70 gefährliche Straftäter könnten freikommen

Am Dienstag hatte der Straßburger Gerichtshof die Bundesregierung unter Zugzwang gesetzt, indem er sein Urteil vom Dezember für rechtskräftig erklärte. Danach verletzt die nachträgliche Streichung der zehnjährigen Höchstgrenze für die Sicherungsverwahrung im Jahr 1998 die Menschenrechtskonvention, zudem hat das Gericht das deutsche System der Sicherungsverwahrung grundlegend in Frage gestellt.

Als Konsequenz droht die Entlassung von 70 gefährlichen Straftätern, die vor 1998 bereits in Sicherungsverwahrung saßen - damals mit einer Entlassungsperspektive nach spätestens zehn Jahren. Das hessische Justizministerium hat im Fall des Straßburger Klägers eine "zeitnahe Entscheidung" des Landgerichts Marburg angekündigt.

Nach den Worten der bayerischen Justizministerin Beate Merk (CSU) muss eine Reform wegen der Straßburger Vorgaben klar unterscheiden zwischen Strafhaft und der allein dem Schutz der Bevölkerung dienenden Sicherungsverwahrung, die erst nach Verbüßung der Strafe einsetzt. "Wir müssen Leute aus den Gefängnissen herausnehmen, um den Unterschied zur Strafhaft deutlicher zu machen. Wir brauchen also eine eigene, zentrale Anstalt" - eine sogenannte Sicherungsunterbringung, sagte sie der SZ. Weil bundesweit nur etwa 500 Menschen in Sicherungsverwahrung sitzen, könnten die Bundesländer kooperieren.

Warnung vor "Schnellschüssen"

Auch der Deutsche Anwaltverein dringt auf eine Grundsatzreform der seit Jahren unablässig ausgeweiteten Vorschriften. "Therapeutische Angebote müssen in wesentlich größerem Umfang als derzeit zur Verfügung gestellt werden", forderte DAV-Präsident Wolfgang Ewer beim Anwaltstag in Aachen. Man dürfe sich nicht allein auf die Unterbringung der Straftäter in Haftanstalten verlassen, sondern müsse zudem ambulante Maßnahmen für eine Betreuung und Kontrolle entlassener Täter entwickeln. Dabei müsse man über den Einsatz der "elektronischen Fußfessel" nachdenken. Ewer warnte vor "spontanen Schnellschüssen" des Gesetzgebers.

Der frühere Generalbundesanwalt Kay Nehm setzt sich dafür ein, die Sicherungsverwahrung bei schweren Sexualdelikten mit hoher Rückfallwahrscheinlichkeit als Regelfall gesetzlich festzuschreiben. Die drohende Sicherungsverwahrung - über deren Verhängung erst vor Haftende entschieden würde - wäre den Straftätern eine ständige Mahnung, beispielsweise an Therapien mitzuarbeiten. Am Rande des Anwaltstags warb er zudem dafür, die Befugnisse der Länder zur vorbeugenden Unterbringung gefährlicher Straftäter auszuweiten

© SZ vom 14.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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