Referendum zur Unabhängigkeit:Hilfe, die Schotten gehen

G8-Gipfel in Gleneagles, 2005

Im September 2014 entscheiden die Schotten über ihre mögliche Unabhängigkeit.

(Foto: AFP)

"Wir wollen, dass ihr bleibt", appelliert Premier Cameron an die schottischen Nachbarn. Momentan wünscht sich nur ein Drittel der Schotten die Unabhängigkeit vom Vereinten Königreich. Doch das könnte sich ändern. Die Befürworter setzen auf die Kraft eines besonderen Jubiläums.

Von Christian Zaschke, London

Es war jahrelang das gleiche Schauspiel in Edinburgh: An jedem Samstagabend lief im Kino an der Clerk Street der Film "Braveheart". Die Stimmung im Saal war stets prächtig, und großer Jubel brandete auf, wann immer auf der Leinwand ein paar Engländer getötet wurden. Mit den historischen Fakten geht der Film recht frei um, was nichts daran änderte, dass er nach seinem Erscheinen Mitte der Neunzigerjahre in vielen schottischen Kinos gefeiert wurde. Er handelt von einem Freiheitskämpfer, der sich Ende des 13. Jahrhunderts den Engländern entgegenstellt und den Weg für die schottische Unabhängigkeit ebnet.

In diesem Jahr wird der Film mit großer Sicherheit eine Renaissance erleben. Das liegt daran, dass Schottland ein großes, möglicherweise historisches Jahr bevorsteht. "Braveheart" endet damit, dass der schottische König Robert the Bruce in die Schlacht von Bannockburn zieht. Diese Schlacht gab es wirklich, 1314 schlugen die Schotten die englischen Nachbarn vernichtend. Sie ist der Gründungsmythos des unabhängigen Schottlands.

Genau 700 Jahre später geht es wieder um Unabhängigkeit: Am 18. September können sämtliche Bewohner Schottlands, die älter als 16 Jahre sind, darüber abstimmen, ob das Land das Vereinigte Königreich verlassen und künftig als eigenständiger Staat firmieren soll.

Die Scottish National Party (SNP), die seit 1934 für ein unabhängiges Schottland wirbt, hätte kaum ein besseres Jahr für die Abstimmung wählen können. Das liegt nicht nur an den zahllosen Feiern des Siegs von Bannockburn. 2014 finden die Commonwealth-Spiele in Glasgow statt, im Ryder-Cup treten Golfer aus Europa und den USA in Gleneagles gegeneinander an, was bedeutet, dass das kleine Land mit seinen gut fünf Millionen Einwohnern sich als Gastgeber sportlicher Großveranstaltungen profilieren kann.

Im Jahr 1603 hatte der schottische König James VI. als James I. auch den Thron von England übernommen; anschließend ließ er sich 14 Jahre lang nicht mehr in Schottland blicken. Vollständig verloren die Schotten ihre Unabhängigkeit jedoch erst 1707, als sie der Zusammenlegung der Parlamente zustimmten. Der Versuch, eine eigene schottische Kolonie in Panama aufzubauen, war so umfassend gescheitert, dass das Land vor dem Staatsbankrott stand.

Premierminister Cameron appelliert an Schottland

Südlich der Grenze wird die aktuelle Entwicklung mit Unruhe verfolgt. Das mag auch daran liegen, dass in der schottischen Nordsee große Öl-und Gasvorkommen lagern und es zum Standort der britischen Atom-U-Boote im Fluss Clyde bisher keine Alternative gibt. Als Premierminister David Cameron zu Jahresbeginn einen Appell an Schottland richtete, wirkte er wirklich bewegt: "Wir wollen, dass ihr bleibt", rief er den Schotten auch im Namen von Nordirland und Wales zu.

In Umfragen gab zuletzt lediglich ein Drittel der Schotten an, von England unabhängig werden zu wollen. Doch die SNP setzt darauf, dass das ereignisreiche Jahr Emotionen freisetzt. Ein knappes Drittel der Bevölkerung ist noch unentschlossen. Sollte die SNP diese Gruppe für ihr Anliegen gewinnen können, würde 2014 neben 1314 und 1707 eines der bedeutendsten Jahre der schottischen Geschichte werden.

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