Referendum in Katalonien:EU stärkt Spaniens Regierung den Rücken

  • Nach dem von Polizeigewalt überschatteten Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien sind die Fronten zwischen Regionalregierung und Zentralregierung verhärtet.
  • Beide Seiten beraten ihre nächsten Schritte. Die Regierung in Barcelona hat angekündigt, "binnen Tagen" die Unabhängigkeit ausrufen zu wollen.
  • Die EU-Kommission fordert Madrid und Barcelona zum Dialog auf und hat die Gewalt verurteilt. Zugleich betonte sie aber, das Referendum sei illegal.

Die EU-Kommission hat das Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien als "nicht legal" eingestuft und die "Entzweiung und Fragmentierung" durch den Konflikt kritisiert. Die EU hat damit der Regierung in Madrid den Rücken gestärkt. Selbst wenn ein legales Referendum organisiert werden könne, fänden sich die Katalanen nach einem Votum für die Unabhängigkeit außerhalb der EU wieder, heißt es in einer Stellungnahme der Kommission.

Ein Sprecher hob am Montag in Brüssel auch hervor: "Gewalt kann nie ein Instrument der Politik sein." Doch neben dieser Kritik an der Brutalität spanischer Polizisten gegenüber katalanischen Wählern betonte Kommissionschef Jean-Claude Juncker, es handle sich um eine innenpolitische Angelegenheit in Spanien.

Die Kommission rief alle Beteiligten dazu auf, "sehr schnell" von der "Konfrontation zum Dialog" überzugehen - also nicht nur die Regierung in Madrid, sondern alle Beteiligten, sondern auch die katalanische Regierung.

Bei dem von Madrid verbotenen Referendum waren spanische Polizisten am Sonntag teils mit massiver Gewalt vorgegangen, Hunderte Menschen wurden verletzt. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wird einem Sprecher zufolge noch am Montag mit dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy sprechen.

Bei Sondersitzungen haben die Regionalregierung sowie die spanische Zentralregierung über ihre jeweiligen weiteren Schritte beraten. Regionalpräsident Carles Puigdemont wollte die Weichen für eine Unabhängigkeitserklärung durch das Parlament stellen.

Puigdemont hatte am Sonntagabend angekündigt, "binnen Tagen" die Unabhängigkeit ausrufen zu wollen. Er zeigte sich überzeugt, dass die Katalanen mit der Abstimmung vom Sonntag "das Recht gewonnen" hätten, einen unabhängigen Staat zu gründen. Der katalanischen Regierung zufolge hatten sich in dem Referendum 90 Prozent der Wähler für die Abspaltung von Spanien ausgesprochen. Allerdings gaben nicht einmal die Hälfte der 5,3 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab.

Die Zentralregierung in Madrid betrachtet das Referendum als ungültig, es war vom Verfassungsgericht für illegal erklärt worden. Es habe kein Unabhängigkeitsreferendum gegeben, sagte Ministerpräsident Mariano Rajoy am Sonntagabend.

Albert Rivera, Chef der liberalen Ciudadanos, forderte Rajoy am Montag erneut dazu auf, Artikel 155 der spanischen Verfassung in Kraft zu setzen, um so der Ausrufung eines unabhängigigen Kataloniens zuvorzukommen, wie spanische Medien melden. Artikel 155 würde es der Regierung in Madrid erlauben, Katalonien seinen Autonomiestatus abzuerkennen. Nach Ansicht von Rechtsexperten könnte damit auch die Regionalregierung abgesetzt werden. Allerdings müsste Rajoy das erst durch den parlamentarischen Prozess bringen.

Ministerpräsident Rajoy berief mehrere Treffen ein, vor allem mit der Opposition. Der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei, Pedro Sánchez, forderte Rajoy dazu auf, wieder in einen "Prozess der politischen Verhandlungen" mit der katalanischen Regierung zu treten. "Er muss verhandeln, verhandeln, verhandeln und ein Abkommen erzielen, das ist seine Verantwortung", sagte Sánchez.

Nach dem Referendum am Sonntag sind die Fronten zwischen der Regionalregierung in Barcelona und der Zentralregierung in Madrid verhärtet wie nie. Wie erwartet war es während der Wahl zu Gewalt und Tumulten gekommen. Die Guardia Civil, die spanische Polizei, versuchte mit großer Härte, das Votum zu verhindern. Sie sperrte und räumte Wahllokale. Außerdem ging sie mit Schlagstöcken, Tränengas und angeblich auch Gummigeschossen gegen Wähler vor. Die katalanische Regierung beziffert die Zahl der Verletzten mittlerweile auf 893.

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