Referendum in der Ukraine:Die seltsamen Methoden der Separatisten

Referendum materials are pictured inside the commission headquarters in Donetsk, eastern Ukraine

Flugblätter und Stimmzettel für das geplante Referendum am 11. Mai in Donetzk.

(Foto: REUTERS)

Druck und Druckerschwärze: Trotz Putins Aufforderung, die Abstimmungen in der Ostukraine zu verschieben, wollen die prorussischen Kräfte ihre Referenden zur Unabhängigkeit mit aller Macht durchsetzen. Dabei sind ihnen alle Mittel recht.

Von Florian Hassel, Donezk

Es war nur auf den ersten Blick eine Überraschung. Die Separatisten der selbst erklärten "Volksrepublik Donezk" gaben am Donnerstag bekannt, an ihrem Referendum über einen Austritt der Region Donezk aus der Ukraine festzuhalten; es soll dies der erste Schritt zu einem Anschluss an Russland sein. Immerhin hatte ihr Schutzpatron, Russlands Präsident Wladimir Putin, sie tags zuvor darum gebeten, die Abstimmung zu verschieben. Doch auch in Lugansk beschlossen die Separatistenführer, von ihrem - nach der ukrainischen Verfassung illegalen - Vorhaben nicht abzuweichen.

"Die Abstimmung findet wie geplant am 11. Mai statt", sagte Separatistensprecher Kirill Rudenko der Süddeutschen Zeitung. Der Donezker Infodienst Ostrow meldete gar, schon am 18. Mai wollten die Separatisten über den Beitritt zu Russland abstimmen lassen. Rudenko sagte dagegen: "Wir können weitere Beschlüsse erst nach der erfolgreichen Abhaltung des Referendums vom 11. Mai fassen."

Auf den ersten Blick wirken die Entscheidungen willkürlich, auf den zweiten waren sie jedoch folgerichtig - und Putins Bitte womöglich nur ein Ablenkungsmanöver. Schließlich hatte der Kremlherr seine Aufforderung, die Referenden zu verschieben - nicht etwa abzusagen - mit der Forderung nach einem "direkten, vollwertigen Dialog zwischen der heutigen Kiewer Macht und Vertretern des Südostens der Ukraine" verknüpft.

Legale Autoritäten sind entweder festgesetzt oder machtlos

Dass solche Vertreter nicht die Führer der Separatisten sein können, machte Kiew umgehend klar. Übergangspräsident Olexander Turtschinow erklärte, die Regierung werde nicht mit "bewaffneten Kriminellen sprechen, die Blut an den Händen haben", sondern nur mit Vertretern der lokalen Behörden, Aktivisten und Geschäftsleuten aus Donezk und Lugansk. Das Problem ist nur: Legale Autoritäten sind in den Hochburgen der Separatisten entweder festgesetzt, wie die Bürgermeisterin der Separatistenhochburg Slawjansk, oder weitgehend machtlos, wie Serhij Taruta, Gouverneur der Region Donezk.

Statt in seinem Amtssitz residiert dieser in einem Hotel, bewegt sich nur mit Leibwächtern. Am vorigen Samstag erst musste Taruta, ein reicher Unternehmer, mit ansehen, wie sein Firmensitz von Hunderten Separatisten geplündert wurde und die Polizei tatenlos zusah. Auch Aktivisten sind in Donezk und Lugansk nach Entführungen und Morden durch die Separatisten nur dünn vertreten, viele sind nach Kiew geflüchtet.

Zwar erklärte Andrej Parubij, Interimschef des Nationalen Sicherheitsrates in Kiew, es werde am Sonntag "keinerlei Referendum" geben. Doch der Kommandeur der von Kiew "Anti-Terror-Operation" getauften Offensive in der Ostukraine, Wassilij Krutow, sagte, die Lage sei "sehr schwierig" und es sei notwendig, die eingesetzten Kräfte umzugruppieren. Im Klartext: Die Offensive der Armee, die vor einer Woche Slawjansk einschloss, steckt weitgehend fest. Und so setzen die Separatisten die Vorbereitungen für ihr Referendum fort.

Roman Ljagin, der sich "Vorsitzender der Zentralen Wahlkommission der Volksrepublik Donezk" nennt, hat in einem Konferenzraum des besetzten Verwaltungssitzes der Region Donezk in den vergangenen zwei Wochen rund um die Uhr Flugblätter und Stimmzettel für das Referendum drucken lassen. Die einzige geplante Frage: "Unterstützen Sie die Unabhängigkeitserklärung der Volksrepublik Donezk?" Wer mit "Nein" stimme, entscheide sich für den Verbleib "in der heutigen, faschistischen Ukraine".

Selbst im Osten wollen 70 Prozent eine einheitliche Ukraine

Wer dagegen mit Ja stimme, gehe den "ersten Schritt zur Vereinigung" mit anderen ostukrainischen Regionen zu "Neurussland", dem zur Zarenzeit von Moskau beherrschten Osten und Südosten der Ukraine. Putin hatte "Neurussland" am 17. April rhetorisch wiederbelebt und gesagt, Gott allein wisse, warum die sowjetische Regierung es in den Zwanzigerjahren der Ukraine zugeschlagen habe.

Auch in Lugansk lautet die einzige Frage: "Unterstützen Sie die Unabhängigkeitserklärung der Volksrepublik Lugansk - Ja oder Nein?" Gleichwohl ist die Lage vor dem Referendum aus Sicht der Separatisten deutlich schwieriger als zuvor auf der Krim: Während auf der Halbinsel Regierung, Parlament und Behörden und ein großer Teil der Bevölkerung auf die Seite Moskaus überliefen und das Referendum vorbereiteten, ist davon in der Ostukraine wenig zu sehen: Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Pew sind selbst im Osten der Ukraine 70 Prozent der Befragten für eine einheitliche Ukraine - und auch 58 Prozent der russischsprechenden Bürger in der Ostukraine.

Wenn es nicht legal geht, dann mit Gewalt und Maniulation

Da die Kiewer Regierung allen von Separatisten besetzten Verwaltungen den Zugang zum elektronischen Wählerregister gesperrt hat, arbeiten die Separatisten mit einer Liste der letzten Parlamentswahl. Offen ist bisher, wie viele Städte und Dörfer überhaupt ihre Wahllokale für die Separatisten bereitstellen werden.

"In Donezk werden weder Schulen noch irgend welche anderen öffentlichen Einrichtungen am Sonntag als Wahllokale öffnen. Donezk spielt keinerlei Rolle bei dem so genannten Referendum", sagte Stadtsprecher Maxim Rowinskij. Auch in der Kleinstadt Ugledar, 40 Kilometer südwestlich von Donezk, sagte eine Verwaltungsvertreterin, es gebe "keinerlei legale Basis" und damit auch "keinerlei Referendum" am Sonntag.

Freilich gibt es auch andere Mittel als eine legale Basis. Im 50 000-Einwohner-Städtchen Krasnodon an der ukrainisch-russischen Grenze stürmten am Dienstag zehn bewaffnete Maskierte eine Sitzung der mit der Vorbereitung der ukrainischen Präsidentschaftswahl beschäftigten lokalen Wahlkommission. Sie verprügelten deren Vorsitzenden, weil er sich weigerte, das Referendum anzusetzen.

Einen bereits bei "Abstimmungen" in Tschetschenien oder auf der Krim erprobten Ausweg soll der Leiter der Bewegung Russische Nationale Einheit, Alexander Berkaschow, einem Donezker Separatistenführer empfohlen haben, wie ein vom ukrainischen Geheimdienst abgehörtes Telefonat ergab: "Schreibt einfach, dass 100 Prozent mit Ja gestimmt haben!"

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: