Merkel und Hollande in Reims:"Wir müssen den Euro verteidigen"

Demonstrativer Schulterschluss zum 50. Jahrestag der deutsch-französischen Aussöhnung: Kanzlerin Merkel und Präsident Hollande beschwören die Freundschaft beider Länder und betonen ihre gemeinsame Verantwortung für Europa. Hollande sieht den Kontinent wegen der Schuldenkrise in einer "Bewährungsprobe". Vertrauen zwischen Berlin und Paris sei unerlässlich, "damit es weitergehen kann".

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande haben den hohen Stellenwert der deutsch- französischen Freundschaft für beide Völker und die europäische Integration hervorgehoben. Europa stehe heute vor einer großen Herausforderung, sagte Merkel an diesem Sonntag bei einem Treffen mit Hollande im ostfranzösischen Reims. Die vor 20 Jahren gegründete Währungsunion sei nicht "stark genug" und müsse nachgebessert werden, betonte sie mit Blick auf die Krise in der Euro-Zone. "Dies ist eine Herkulesaufgabe, keine Frage", sagte die Kanzlerin. Wenn die EU geeint sei, sei sie aber in der Lage, diese Aufgabe zu bewältigen.

Angela Merkel und Francois Hollande in Reims

Bislang warteten Beobachter vergeblich auf ein Begrüssungsküsschen zwischen Kanzlerin Angela Merkel und François Hollande: Beim Treffen der beiden im französischen Reims zum 50. Jahrestag der deutsch-französischen Aussöhnung war es soweit.

(Foto: AP)

Merkel nannte das Treffen mit Hollande "ein wunderbares Zeichen des vertrauensvollen Miteinanders unserer Länder und Völker". Auf Französisch sagte sie: "Es lebe die deutsch-französische Freundschaft."

Hollande hob die Bedeutung einer engen Kooperation beider Länder gerade in der aktuellen Euro-Schuldenkrise hervor. "Eine Freundschaft muss bewahrt werden und eine Freundschaft muss gepflegt werden", sagte er an der Seite von Merkel. "Unsere Freundschaft beflügelt Europa." Sie könne helfen, die aktuellen Herausforderungen wie die Verteidigung der Gemeinschaftswährung oder in der Energiepolitik zu bestehen.

Hollande warnte zugleich vor den Gefahren der Euro-Schuldenkrise. "Wir sind in einer Bewährungsprobe in Europa." Diese werde nicht die letzte sein. Aber: "Sie kann Gelegenheit dafür sein, dass wir einen neuen Aufschwung erleben, dass wir einen neuen Anfang finden." Ziel sei eine "solidarische Integration" in Europa. "Wir müssen den Euro verteidigen", betonte Hollande.

Die Beschlüsse des EU-Gipfels von Ende Juni, etwa zur Bankenunion und Finanztransaktionssteuer, seien ein "erster Schritt" gewesen. "Nun warten andere Etappen auf uns", fügte der sozialistische französische Staatschef hinzu. Notwendig sei eine politische Union, die auf einer "solidarischen Integration" basieren müsse.

Hollande verurteilt Schändung von Soldatengräbern

Hollande verurteilte die Schändung von mindestens 40 Gräbern deutscher Soldaten auf einem Friedhof in Nordfrankreich. "Keine dunklen Mächte, geschweige denn törichte Handlungen, können die tiefe Bewegung der französisch-deutschen Freundschaft ändern", sagte er.

Merkel hatte bereits am Samstag betont, schon de Gaulle und Adenauer hätten gesagt, die deutsch-französische Freundschaft sei ein unerlässlicher Schritt auf dem Weg zu einem vereinigten Europa. "Genau daran arbeiten wir - Deutschland und Frankreich - gemeinsam. Und das tun wir auch angesichts der aktuellen Herausforderungen."

Einigkeit zwischen Merkel und Hollande

Auch Hollande hatte in einem Interview am Samstag die guten Beziehungen Frankreichs und Deutschlands hervorgehoben, jedoch gemahnt, es dürfe kein "deutsch-französisches Direktorium" in Europa geben. Zwar sei in Europa sicherlich nichts möglich, wenn Frankreich und Deutschland sich nicht einig seien, sagte der französische Präsident, fügte aber hinzu: "Wir dürfen unsere Beziehung nicht wie ein Direktorium verstehen, in dem Frankreich und Deutschland allein für Europa entscheiden."

Darin sei er sich auch mit Kanzlerin Merkel einig. "Manchmal konnten sich bestimmte Länder ausgeschlossen oder gezwungen fühlen, einen Kompromiss zu akzeptieren, der bereits von unseren beiden Ländern ausgehandelt wurde", sagte Hollande. Man müsse die anderen jedoch einbinden.

Mit ihrer Begegnung in Reims erinnerten Hollande und Merkel an den gemeinsamen Besuch ihrer Vorgänger Charles de Gaulle und Konrad Adenauer in der ostfranzösischen Stadt vor genau 50 Jahren. Die beiden Politiker hatten damals den Grundstein für die deutsch-französische Aussöhnung gelegt. Sechs Monate später unterschrieben sie im Januar 1963 in Paris den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag, der noch heute Grundlage für die enge Kooperation beider Länder ist.

Das Treffen vom Sonntag bildete den Auftakt zu einer Reihe von Veranstaltungen, mit denen Deutschland und Frankreich bis zum Sommer kommenden Jahres das 50-jährige Bestehen des Elysée-Vertrages feiern wollen.

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