Rede zur Lage der Nation:Trump wirbt vergeblich um die Demokraten

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  • In seiner ersten Rede zur Lage der Nation ruft der US-Präsident Republikaner und Demokraten zur Zusammenarbeit auf.
  • Dabei stellt er ausnahmensweise nicht sich selbst in den Mittelpunkt.
  • Außenpolitisch bleibt seine Devise: Stärke zeigen.

Von Thorsten Denkler, New York

Die Demokraten verlassen das Repräsentantenhaus in dem Moment, als US-Präsident Donald Trump seine erste Rede zur Lage der Nation mit "Gott schütze Amerika" und "Gute Nacht" beendet. Fast eineinhalb Stunden hat er gesprochen. Kein Rekord. Auch wenn nur zwei Reden von Bill Clinton zur Lage der Nation länger waren. Trump wollte es diesmal vielleicht nicht übertreiben. Er wurde auch nicht ausfällig, wollte keinen politischen Gegner in den Knast stecken. Er hat auch niemanden beschimpft oder beleidigt, wie er es auf Twitter gerne macht.

Nein, diesmal sollte es ausnahmsweise mal nicht nur um ihn gehen. Sondern um die Menschen da draußen. Die Amerikaner, die hart arbeitende Bevölkerung. Die Helden des Alltags. Die seien es, die "Amerika wieder groß" machen werden. Niemand sonst. Wer wollte da widersprechen?

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Trump zeigt, dass er ohne Beleidigungen und Lügen auskommen kann. Allerdings lobt er sich etwas zu ausführlich.

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Trump umwirbt die Demokraten, doch die haben nicht vergessen

Versöhnlich wollte er sein. Einladend. Er hat die Demokraten direkt angesprochen, sie recht freundlich gebeten, mit ihm zusammen Lösungen zu finden. Für das Land, für die Menschen. Die Demokraten aber schauen wie Leute, die sich zum kollektiven Fremdschämen verabredet haben. Würde jemand diese Rede hören, ohne eine Ahnung vom Drumherum zu haben, er könnte denken: Na, ist doch eine ganz ordentliche Rede. Konservativ, ja, aber ganz ordentlich. Was haben die Demokraten nur?

Nun, sie haben nicht vergessen. Weder, dass Trump im vergangenen Sommer Neonazis als "feine Leute" bezeichnet hat. Noch, wie er gegen Immigranten gewettert hat. Oder wie er den Demokraten heute dies versprochen und morgen alles wieder zurückgenommen hat. Da gibt es viele Verletzungen. Ein gutes Dutzend Demokraten ist der Rede ferngeblieben.

Eine ist die Kongressabgeordnete Janice "Jan" Schakowsky aus Illinois. Sie hält es für gefährlich, die Präsidentschaft von Trump als etwas anzusehen, das sich normalisieren könnte, begründet sie ihren Boykott. Trump sei ein übler Raufbold, ein Tyrann, gefährlich. "Ich kann das nicht als das neue 'Normal' akzeptieren." Der schwarze Kongressabgeordnete Cedric Richmond aus Louisiana wollte dagegen dabei sein, wenn Trump spricht: "Um dem Rassismus ins Gesicht zu sehen."

Trump glaubt, er kann die Demokraten auf seine Seite bringen

Trump sieht während seiner Rede immer wieder zu den Demokraten hinüber. Manchmal rudert er in diesen Momenten mit den Armen. Er fordert sie auf, aufzustehen und mitzuklatschen, wenn er Dinge gesagt hat, von denen er offenbar glaubt, dass auch die Demokraten sie unterstützen müssten.

Doch die Chefin der Demokraten im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, sitzt nur da und starrt ihn an. Hass ist das falsche Wort. Aber wie sie bei geschlossenem Mund mit ihrer Zunge die oberen Schneidezähne bearbeitet, das muss Trump wie eine Provokation vorkommen. Einmal verdreht Trump die Augen, als die Demokraten seiner Applaus-Aufforderung wieder nicht folgen. Er scheint tatsächlich zu glauben, er könnte die Demokraten hier auf seine Seite bringen.

Trump lobt, was er glaubt, erreicht zu haben:

  • Die Steuerreform vor allem, die dem Mittelstand helfe. Manche hätten jetzt bis zu 5000 Dollar mehr in der Tasche, sagt Trump. "Das ist viel Geld", setzt er nach und hebt die Augenbrauen. Als wisse ein Milliardär wie er, wie es sich anfühlt, auf 5000 Dollar angewiesen zu sein. Seine Frau Melania etwa kommt gerade erst von einem Wellness-Kurztrip in Trumps Golf-Hotel Mar a Lago zurück. Allein der Flug hin und zurück hat den Steuerzahler 64 000 Dollar gekostet.
  • Trump nennt Unternehmen wie Apple oder Toyota, die jetzt neue Fabriken in den USA bauen wollen. Aber auch die kommen nicht alle wegen Trump. Manche der Vorhaben waren lange geplant.
  • Trump hebt außerdem hervor, dass der konservative Richter Neil Gorsuch auf seinen Vorschlag jetzt am Obersten Gericht, dem Supreme Court, sitzt. Eines von Trumps wichtigsten Wahlversprechen an seine evangelikale Wählerschaft. Gorsuch lässt Trumps Lob mit regungsloser Miene über sich ergehen.

Viel mehr war es eigentlich auch nicht. Die vielen furchtbaren Brand-, Flut- und Sturm-Katastrophen, die die USA im vergangenen Jahr erlebt haben, sie wären wohl auch ohne Trump bewältigt worden. Ansonsten hat er vor allem Regularien aus der Amtszeit von Barack Obama zurückgedreht. Etwa Beschränkungen für die Energie-Industrie, wenn es um den Einsatz von Kohle geht. Trump findet, er habe damit und mit dem Ausstieg aus dem Klimaabkommen von Paris den Energiekrieg im Land beendet. Wofür ihn die Republikaner im Kongress jetzt geradezu ausgelassen feiern.

An anderer Stelle berichtet er von den guten Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsdaten. Von denen Ökonomen allerdings sagen, dass Trump hier vor allem von der guten Vorarbeit seines Vorgängers Obama profitiert. Aber Trump versucht ehrlicherweise diesmal gar nicht, dies alles als seinen persönlichen Erfolg zu verkaufen. Sondern als Erfolg der Amerikaner. In dieser Rede ist fast nur von "Wir" die Rede. Und so gut wie gar nicht von "Ich".

Und dann kommt er auf die geplante Einwanderungsreform zu sprechen. Ein heikles Thema für ihn, weil er mit jedem Zugeständnis seine hartrechte Kernwählerschaft gegen sich aufbringen kann. Darum gibt er denen erst, was sie hören wollen: Trump präsentiert eine Familie, die zwei Töchter verloren hat. Sie wurden von einer Bande illegal in den USA lebender Immigranten und Mitgliedern der Gang MS-13 ermordet. Das Schicksal der Familie berührt den Kongress. Alle stehen auf, um den Hinterbliebenen Beifall und Trost zu spenden.

Trump verbindet deren Schicksal mit seiner Einwanderungspolitik. Fordert Geld für seine Mauer, die Abschaffung der Greencard-Lotterie und eine rigorose Einschränkung des Familiennachzugs. Und rückt damit alle Immigranten in die Nähe potenzieller Schwerverbrecher. Im Gegenzug bekämen die Demokraten ein großzügiges Gesetz, mit dem einst als Minderjährige in die USA gebrachte Immigranten (bekannt als "Dreamer") auf eine Einbürgerung hoffen können. In den Reihen der Demokraten rührt sich keine Hand. Zu vergiftet ist das Angebot.

Diese Rede ist eine Show für die politische Mitte

Außenpolitisch fasst sich Trump kurz. Wer sich "America First" auf die Fahnen geschrieben hat, muss dazu auch nicht viel sagen. Der IS sei besiegt. Ein paar Sätze zu China, Russland und Nordkorea. Dann sagt Trump noch, dass "Schwäche der sicherste Weg in den nächsten Konflikt" sei. Darum wolle er das Atomarsenal der USA erneuern. Und er werde das umstrittene Gefangenlager Guantánamo nicht schließen, kündigt Trump an. Das einzig Neue daran ist, dass er das kurz vor dieser Rede per Dekret festgelegt hat.

Diese Rede, das wissen die Demokraten, sie ist nur eine Show. Sie soll der Mitte des Landes signalisieren, seht her, der Trump ist ja doch ganz vernünftig. Und wenn es im Herbst zu den wichtigen Halbzeitwahlen kommt, dann ist es vielleicht doch nicht dringend nötig, selbst zur Wahl zu gehen. Kaum etwas fürchten die Republikaner mehr, als eine überdurchschnittliche Mobilisierung demokratischer Wähler. Eine Rede aber macht noch keinen neuen Trump. Hier war jedes Wort abgelesen. Er hat geliefert, was er liefern musste, um nicht wieder die Hälfte des Landes gegen sich aufzubringen.

Seine Kritiker werden nicht viel finden, was sie zerpflücken können. Nicht mehr als in anderen Reden zur Lage der Nation jedenfalls. Das hält aber voraussichtlich nur bis zu seinem nächsten Tweet. Oder der nächsten seltsamen Entscheidung. Zum Beispiel in der Russland-Affäre. Hatte Trump nicht vergangene Woche gesagt, er werde sich gerne mit dem Sonderermittler Robert Mueller treffen? Nun, nach Medienberichten ist das schon wieder obsolet. Seine Anwälte glauben offenbar nicht, dass ein direktes Gespräch nötig sei. So wird es weitergehen mit der Präsidentschaft Trump. Es sind nicht enden wollende Chaostage.

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