Rede zur Lage der Nation:Putin markiert den starken Mann - und protzt mit Superwaffen

Rede zur Lage der Nation: Wird aller Wahrscheinlichkeit nach in weniger als drei Wochen in seinem Amt als russischer Präsident bestätigt: Wladimir Putin während seiner Jahresansprache.

Wird aller Wahrscheinlichkeit nach in weniger als drei Wochen in seinem Amt als russischer Präsident bestätigt: Wladimir Putin während seiner Jahresansprache.

(Foto: AP)
  • In seiner Rede zur Lage der Nation reklamiert Wladimir Putin für Russlands Militär eine weltweit führende Position bei verschiedenen strategischen Waffensystemen.
  • Seine Rede ist aber in erster Linie kein Säbelrasseln gegenüber dem Westen, sondern zielt auf innenpolitische Bedürfnisse ab.
  • Am 18. März findet die Präsidentschaftswahl statt - Putins Rede war daher voller Versprechungen an die Adresse des Volkes.

Von Paul Katzenberger, Moskau

Wenn Wladimir Putin die Absicht hatte, mit seiner Rede zur Lage der Nation die Herzen der Menschen zu wärmen, so ist ihm das gelungen. Er bediente sich dabei eines Mittels, das in Russland zuverlässig funktioniert: Er pries mit großer Ausführlichkeit die Errungenschaften der heimischen Militärtechnik, die sich in der Tat beeindruckend anhörten. Die neue russische Interkontinentalrakete "Sarmat" etwa hänge das Vorgängermodell "Wojewoda" bei der Reichweite ab. Habe die alte Rakete 11 000 Kilometer fliegen können, bestehe beim neuen Geschoss überhaupt keine Beschränkung der Reichweite mehr.

Die Rüstungsindustrie des Landes habe neue Torpedos entwickelt, die in größter Tiefe und von keinem Radar der Welt zu entdecken ihre Ziele angreifen könnten, und die Raketenabwehrsysteme des Landes würden mit modernster Laser-Technologie ausgestattet. "Auch andere Länder versuchen solche Systeme zu implementieren", erklärte der russische Präsident stolz, "doch wir haben sie schon!".

Bei Putins Zuhörern in der Manege-Ausstellungshalle, zu denen alle maßgeblichen Repräsentanten der gesetzgebenden Institutionen in Russland zählten, lösten die Erläuterungen ganz offensichtlich Behagen aus. Die Augen von Premierminister Dimitri Medwedew, Außenminister Sergej Lawrow, Tschetscheniens Präsident Ramsan Kadyrow und vieler anderer leuchteten. Bei den Bürgern des Nachfolgestaates der früheren Supermacht Sowjetunion kommt der Verweis auf die eigene militärische Stärke immer noch bestens an.

So war es sicher kein Zufall, dass Putin ganze 45 Minuten seiner zweistündigen Rede dem neuesten Kriegswerkzeug des Landes widmete, wobei nicht nur Infografiken das Gesagte illustrierten, sondern immer wieder auch Videos die Hightech-Waffen möglichst beeindruckend ins Bild setzten.

Die gesamte Rede ist auf innenpolitische Bedürfnisse abgestimmt

Putins Kernbotschaft: Militärisch geht es hin zu alter Größe, und innenpolitisch in die richtige Richtung. Kurz vor der Präsidentschaftswahl am 18. März wollte er sich als Staatschef präsentieren, der die Probleme des Landes kennt und an Lösungen arbeitet. Die neue Interkontinentalrakete etwa sei nur entwickelt worden, weil die Nato das bewährte Raketenabwehrsystem aus der Zeit des Kalten Krieges aufgekündigt habe, betonte Putin. Die Sicherheit des Landes habe die Entwicklung von "Sarmat" erfordert.

Als Säbelrasseln in Richtung Westen war die Aussage nicht in erster Linie zu verstehen. Vielmehr war die gesamte Rede auf innenpolitische Bedürfnisse abgestimmt. Putin nutzte den Auftritt, um seine Vorstellungen von der Zukunft des Landes in den nächsten Jahren zu umreißen, die er als Präsident gestalten will.

Eigentlich hätte er die Rede zur Lage der Nation schon im vergangenen Jahr halten müssen, denn die Verfassung schreibt ihren Vortrag einmal im Jahr vor. Putin und sein Vorgänger Medwedew hielten sie traditionell im Dezember, doch 2017 wurde sie ins neue Jahr und dann immer weiter nach hinten verschoben. Erst hieß es, Putin würde am 6. Februar reden, dann wurde der 27. Februar als Termin genannt. Kritiker hielten Putin deswegen vor, er missbrauche sein Amt als amtierender Präsident für Wahlkampfzwecke.

Iwan Melnikow, erster stellvertretender Sprecher der Kommunistischen Partei in der Duma, zeigte sich etwa skeptisch, dass die Rede so kurz vor dem Wahltermin in zweieinhalb Wochen getrennt gesehen werden könne vom Urnengang: "Viele Ansätze, die Putin anspricht, klingen vernünftig. Doch die Vergangenheit hat gezeigt, dass sie nicht nur nicht umgesetzt werden, sondern sich sogar ins Gegenteil verkehren", warnte er deswegen.

Putin will an allen Fronten zugegen sein

In der Tat klangen Putins Versprechungen vollmundig: 3,4 Billionen Rubel (48,6 Milliarden Euro) wolle er von 2019 bis 2024 für die Förderung von Kindern und Geburten in Form von Kindergeld, Kinder-Polykliniken und Kindergärten ausgeben - eine Steigerung des Betrags um knapp 40 Prozent, der für diese Posten im Zeitraum von 2012 bis 2017 floss. Oder: Die Ausgaben für den Straßenbau sollen von 2019 bis 2024 gegenüber dem Zeitraum 2012 bis 2017 nahezu verdoppelt werden.

Wo das Geld herkommen soll, sagte Putin nicht. Als er 2012 zum Präsidenten gewählt worden war, hatte er kurz nach seiner Amtseinführung die sogenannten "Mai-Dekrete" erlassen, ein ambitioniertes Programm zur Verbesserung der Lebensverhältnisse in nahezu allen Bereichen, ob im Gesundheitssektor, in der Infrastruktur oder in der Sozialpolitik. Viele öffentliche Haushalte in den Teilrepubliken waren durch die gewaltigen Ausgabenprogramme in Schieflage geraten.

Inzwischen sind die Rahmenbedingungen noch schwieriger geworden: Die Wirtschaft lief damals im Gegensatz zu heute rund, der Westen hatte noch keine Sanktionen erlassen und der Rubel war auf den Devisenmärkten noch deutlich höher bewertet. Beobachter rechnen daher mit einer Steuerreform, die den unteren Gebietskörperschaften mehr Geld bringen soll.

Wie dem Nachrichtensender RBK kurz vor der Rede des Präsidenten aus Kreml-Kreisen gesteckt worden war, soll es nach der Wiederwahl Putins, die als sicher gilt, neue "Mai-Dekrete" geben. Die Ankündigungen während seines Vortrages durften daher als inhaltliche Beschreibung dessen verstanden werden, was der Kreml im Mai als Verordnung erlassen wird.

Die drängenden Probleme des Landes hatte Putin während der ersten Stunde seiner Rede durchaus im Blick: Er sprach die Armut an, die während der Wirtschaftsrezession seiner nun zu Ende gehenden Amtszeit in die Höhe geschnellt ist, und die halbiert werden müsse.

Ein Kümmerer, der an allen Fronten zugange ist

Er rief mit Blick auf die mit 72 Jahren vergleichsweise geringe Lebenserwartung in Russland: "Wir müssen den Ü-80-Klub beitreten." Und er ging auf das Gesundheitssystem des Landes ein, das in die Kritik geraten ist, nachdem viele Kliniken auf dem Land geschlossen haben oder privatisiert wurden. Viele Bürger müssen inzwischen für medizinische Dienstleistungen bezahlen, die sie früher gratis erhielten. Auch da wollte der Wahlkämpfer Putin nicht kleckern, als er versprach, die Ausgaben im Gesundheitssektor zu verdoppeln.

Und Putin präsentierte sich als Kümmerer, der an allen Fronten zugange ist, ob das nun wilde Mülldeponien sind, Todesfälle im Straßenverkehr oder Museen in der Provinz. Nur auf die Außenpolitik, sein Steckenpferd der vergangenen Jahre, ging der Präsident wenig ein - kein Wort von der Ukraine oder den Vorwürfen, den US-Wahlkampf 2016 manipuliert zu haben. Aber das sind auch Probleme, die im Präsidentschaftswahlkampf eher im Wege stehen würden.

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