Rede zur Lage der Nation:Obama schaltet um

Der US-Präsident repariert seine Beziehungen zur Wirtschaft und inszeniert geschickt den Neuanfang. Um ein Großer zu werden, muss Barack Obama aber erst den Geist von Ronald Reagan aus Washington vertreiben.

Moritz Koch

Wenn Barack Obama als großer Präsident in die Geschichtsbücher eingehen sollte, wäre dort zu lesen, wie er mit Staatsgeld eine Depression abwendete. Wie er die demokratische Kongressmehrheit für eine Gesundheitsreform und die Zähmung der Finanzmärkte opferte. Und wie er nach der Niederlage seiner Partei im Herbst 2010 neue politische Bündnisse schloss, mit denen er Amerika grüner, gerechter und innovativer machte. Obama der Krisenmanager, Obama der Reformer, Obama der Brückenbauer - so könnten eines Tages die Kapitel überschrieben sein, welche die erste Amtszeit des 44. US-Präsidenten beschreiben.

Barack Obama

Barack Obama in Schenectady im Bundesstaat New York, wo einst General Electric Industriegeschichte geschrieben hat.

(Foto: AP)

Doch die Geschichte könnte auch anders ausgehen. Die Krise ist noch nicht überwunden, solange die Notenbank das Finanzsystem mit Billigkrediten flutet. Obamas Reformen haben sich noch nicht bewährt, solange zentrale Vorschriften nicht umgesetzt sind. Und von einer produktiven Zusammenarbeit mit den Republikanern kann keine Rede sein, solange diese in erster Linie auf Steuergeschenke à la Ronald Reagan hinausläuft. Weniger als zwei Jahre bleiben Obama, um die Erfolge seiner Politik sichtbar zu machen. Nur wenn ihm das gelingt, wahrt er die Chance, dass später einmal nicht nur die Wahl des ersten schwarzen Präsidenten der USA als historisch gelten wird, sondern auch sein Wirken.

Angst in Krisenregionen

Obamas politisches Schicksal hängt von der Entwicklung der Wirtschaft ab. Selbst die Kriege im Irak und in Afghanistan geraten zur Nebensache, solange die Konjunktur zu schwach ist, um den Arbeitsmarkt aus der Krise zu ziehen. Gerade dort, wo sich in Amerika die Wahlen entscheiden, fürchten die Menschen um ihre Jobs: im Rostgürtel, der frühere Industriezentren wie Ohio, Indiana und Pennsylvania umfasst. Verliert Obama hier an Unterstützung, werden die Republikaner den nächsten Präsidenten stellen. Das Weiße Haus hat das erkannt und ein wirtschaftspolitisches Programm entworfen, das den Krisenzonen eine bessere Zukunft verspricht. Die Regierung will das industrielle Herz Amerikas reanimieren. Die USA sollen wieder zur Exportmacht werden.

Der Geist von Ronald Reagan

Dafür warb Obama schon im Wahlkampf von 2008. Doch im Streit um die Gesundheitsreform und die Neuordnung der Finanzmärkte verlor er die Wirtschaft aus den Augen. Seine Regierung rieb sich im Kampf mit der Pharmalobby auf, beharkte sich mit der 5. Kolonne der Wall Street in Washington, und den Republikanern gelang es, den Präsidenten als oberkommandierendes Standortrisiko zu brandmarken.

Neue Berater

Langsam jedoch gewinnt das Weiße Haus die Debattenhoheit zurück. Obama repariert seine Beziehungen zur Wirtschaftselite und inszeniert geschickt den Neuanfang. Erst kürte er den JP Morgan-Banker William Daley zu seinem Stabschef, dann kündigte er den Abbau bürokratischer Vorschriften an. Am Freitag ernannte er den General-Electric-Chef Jeffrey Immelt zum Vorsitzenden seines ökonomischen Beraterstabs. So etwas kommt gut an in den Vorstandsetagen. Obamas Umfragewerte verbessern sich.

Der Zeitpunkt des Umschwungs ist günstig. Am Dienstagabend wird Obama seine Rede zur Lage der Nation halten. Während die Republikaner ihr politisches Kapital bei dem aussichtslosen Versuch verspielen, die bei ihnen verhasste Gesundheitsreform zurückzudrehen, wird sich Obama der Zukunft zuwenden. Er wird Wettbewerbsdefizite beklagen. Er wird Investitionen in Bildung, Infrastruktur und erneuerbare Energien fordern, und er wird Beifall dafür erhalten.

Doch wird er sein Versprechen, die Industrie wiederzubeleben, nur halten können, wenn er auch Geld bekommt. Es wird Milliarden kosten, Flughäfen zu modernisieren, Windparks zu bauen und Industriegebiete zu sanieren. Milliarden, die das hochverschuldete Land nicht hat, solange es sich Steuersenkungen für Superreiche und Großerben leistet. Obama muss den Geist von Ronald Reagan aus der Hauptstadt vertreiben. Dann wäre er wirklich ein großer Präsident.

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