Rede von US-Präsident Trump:Neuer netter Ton, alte harte Botschaft

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Vor dem Kongress wählt Trump klare Worte gegen Fremdenhass. Mit der Forderung nach einer Einwanderungsreform geht er auf die Demokraten zu. Doch sein versöhnlicher Ton wirkt unglaubwürdig.

Kommentar von Matthias Kolb, Washington

Donald Trump hat vor dem US-Kongress eine bemerkenswerte Rede gehalten. Der einstündige Auftritt war besonders, weil sich der Republikaner streng ans Protokoll hielt und darauf verzichtete, mit dem Publikum zu interagieren und dieses anzustacheln. Dass der neue US-Präsident nicht vom Redemanuskript abwich, demonstriert den Einfluss seiner Tochter Ivanka: Um erfolgreich zu sein, muss der 70-Jährige auch jene US-Amerikaner überzeugen, die ihn nicht oder nur widerwillig gewählt haben - etwa weil ihnen die Demokratin Hillary Clinton noch unsympathischer war.

Es ist unbedingt zu begrüßen, dass Trump die jüngsten antisemitischen Drohanrufe und Schmierereien ebenso verurteilt wie den durch Fremdenhass motivierten Mord an einem indischen IT-Experten in Kansas. Es ist wichtig, dass der US-Präsident Sätze sagt wie: "Unser Land steht geschlossen und verurteilt Hass und das Böse in allen Formen." Doch für Trump kann dies nur ein Anfang sein. Er muss auch in den kommenden Wochen klar Stellung beziehen.

Rede vor dem US-Kongress
:Trump inszeniert sich als Staatsmann

Der US-Präsident überrascht den Kongress mit einem Wunsch zur Einwanderungsreform und hält sich mit Kritik an den Medien zurück. Doch sein Auftreten bleibt konfrontativ, und weiterhin gilt: Amerika zuerst.

Von Matthias Kolb, Washington

Aus strategischer Sicht ist es klug, Zuhörer und Journalisten kurz vor dem Auftritt mit einer angedeuteten Kehrtwende in der Einwanderungspolitik zu überraschen. Er wolle sich für eine Reform der geltenden Migrationsregeln einsetzen (als Vorbild nennt er Kanada, wo die Qualifikation entscheidend ist) und sei offen dafür, dass Millionen illegale Einwanderer ihren Aufenthalt in den USA legalisieren können, sagte Trump mehreren TV-Moderatoren.

In seiner Rede spricht er dann aus, was auch alle Experten sagen: Das US-Einwanderungssystem ist ineffizient und kaputt, es verschlingt Milliarden und schafft für alle Beteiligten Probleme. Doch auch hier gilt: Trump muss beweisen, dass er es ernst meint.

Er muss Details nennen, konkrete Vorschläge machen und die Republikaner überzeugen, das politisch heikle Thema anzupacken. Es klingt versöhnlich, wenn Trump betont, dass von einer Reform auch die Einwanderer profitieren. Sie könnten den "Aufstieg in die Mittelschicht" schaffen und so ihren eigenen American Dream verwirklichen.

Welches Zeichen Trump mit seinen Gästen setzt

Doch viel spricht dafür, dass Trump sich mit seinen Einlassungen vor den TV-Journalisten von seiner Impulsivität hat treiben lassen. Denkbar ist auch, dass er ihnen im Gespräch imponieren wollte oder dass ihn Tochter Ivanka und Schwiegersohn Jared Kushner zu mehr Offenheit gedrängt haben. Denn weite Teile seiner Rede waren dann doch geprägt von der allgegenwärtigen "Amerika zuerst"-Botschaft, in der Einwanderer und Ausländer vor allem als Bedrohung vorkommen.

Es ist Tradition, dass der US-Präsident Gäste in die Loge der First Lady einlädt, die er dann anspricht, um seinen Ideen ein Gesicht zu geben. Neben Melania Trump saß aber keine Familie von Latinos oder Asian Americans, die sich hochgearbeitet hat. Trump hatte die Angehörigen von Amerikanern eingeladen, die von illegal aliens getötet wurden, also von Einwanderern ohne gültige Papiere.

So etwas will er als Präsident verhindern. Dies ist die Rhetorik des Wahlkampfs, in der Latinos und Muslime als Verbrecher und potenzielle Terroristen dargestellt werden. Wenn Trump es ernst meint, muss er seine Rhetorik ändern (auch in seinen Tweets) und andere Prioritäten setzen.

Eine einzelne Rede kann daran nichts ändern. Und nur Donald Trump ist selbst schuld daran, dass versöhnliche Worte bei diesem US-Präsidenten vorerst nicht glaubwürdig sind.

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