Rechtsprechung:Blumen gegossen - Haus kaputt

Wer bei missglückter Nachbarschaftshilfe wirklich haftet.

Von WOLFGANG JANISCH

Wenn der Urlaub beginnt, schlägt die Stunde der Nachbarn. Denn wer verreist, der hat einen Briefkasten, der nach dem dritten Tag überquellen und die niemals urlaubenden Wohnungseinbrecher anlocken kann wie der Pflaumenkuchen die Wespen. Vor allem aber lässt man prächtige Gärten zurück, delikat bepflanzte Balkone oder sogar Haustiere. Man bittet also die Nachbarn, ob sie nicht einspringen können. Und es beginnt eine Phase, die für das Verhältnis zur Belastungsprobe werden kann. Jeder kennt die Berichte von verdorrten Zitronenbäumchen, die man vor Jahren selbst gezogen hatte, oder von zu Tode gefütterten Kaninchen. Nicht zu reden von finanziell größeren Kollateralschäden - weil Balkontüren oder Wasserhähne offen geblieben sind. Oder weil eine wertvolle Vase zu Bruch ging.

Weil zur Urlaubszeit auch die Stunde der Rechtstipps schlägt, liest man häufig, der hilfsbereite Nachbar müsse sich da keine Sorgen machen. Bei nachbarschaftlichen Gefälligkeiten nähmen die Gerichte normalerweise einen "stillschweigenden Haftungsausschluss" für all jene Schäden an, die der Nachbar mit "leichter" Fahrlässigkeit verursacht. Das steht so auf der Homepage der Deutschen Anwaltsauskunft, das hat kürzlich ein Vertreter der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen behauptet, auch die Versicherung HUK Coburg schrieb noch pünktlich zu den Sommerferien: Beim Blumengießen den Perser des Nachbarn ruiniert? Wer bei Gefälligkeiten "leicht fahrlässig einen Schaden anrichtet, haftet nicht". Weil es neben der rechtlichen auch eine "menschliche" Seite gebe, übernehme der Versicherer solche Schäden freiwillig.

Wäre dies so, dann hieße das: Wer den Nachbarn in die Wohnung lässt, muss das Risiko allein tragen. Weil der Verursacher nicht für Schäden haftet, die er aus Freundlichkeit anrichtet. In Wahrheit aber ist es nicht bloß freiwillige Großzügigkeit, welche die Haftpflichtversicherer einspringen lässt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im April vergangenen Jahres klargestellt, dass ein stillschweigender Haftungsverzicht die Ausnahme ist, auch bei leichter Fahrlässigkeit. Das gilt jedenfalls für die Haftpflichtversicherung des Nachbarn; eine solche haben immerhin 85 Prozent der Haushalte abgeschlossen. Entscheidend ist laut BGH nämlich, was die Beteiligten vereinbart hätten, sofern sie das Unglück vorhergesehen haben.

Möglicherweise hätte der Nachbar ja vor der Abreise beschwichtigt: Keine Sorge, du musst den Bonsai nicht bezahlen, wenn er vertrocknet, aber die Versicherung, wenn es eine gibt, die sollte schon dafür geradestehen. Genau davon geht der BGH aus: "Denn eine Haftungsbeschränkung, die nicht den Schädiger, sondern den Haftpflichtversicherer entlastet, entspricht in der Regel nicht dem Willen der Beteiligten." (Az: VI ZR 467/15)

Das Risiko trägt also die Versicherung. Und das kann beträchtlich sein, wie der BGH-Fall zeigt. Ein Nachbar hatte den Garten gewässert und danach zwar die Düse am Schlauch zugedreht, nicht aber den Wasserhahn. Irgendwann platzte der Schlauch und setzte das Untergeschoss unter Wasser - der Schaden belief sich auf annähernd 12 000 Euro. Die Haftpflichtversicherung wollte für dieses Malheur nicht einstehen, Menschlichkeit hin oder her.

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