Rechtspopulisten in Deutschland:Warum Geert Wilders' Parolen ins Leere laufen

Geert Wilders, der große Blondierte mit der scharfen Zunge, ist ein Star der rechtspopulistischen Szene Europas. Trotzdem blieben bei dem Auftritt des Niederländers in Berlin viele Stühle leer. Sind die Deutschen immun gegen die Parolen der Wutbürger-Bewegung? Im Gegenteil - die Skepsis gegenüber dem Euro und den muslimischen Einwanderern ist hierzulande eher noch größer als in vielen Nachbarländern. Doch den populistischen Gruppen gelingt es nicht, die Wähler zu mobilisieren.

Jan Bielicki, Berlin

Es sollte bis zu 100 Euro kosten, das Idol aus der Nähe zu erleben. Doch auch nachdem die Eintrittspreise auf fünf Euro gesunken waren, wollten nicht so viele Fans den niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders sehen, wie es sich die Wahlkämpfer der Partei "Die Freiheit" vorgestellt hatten. Gut 600 Zuhörer waren gekommen - und viele Stühle blieben leer bei seinem Auftritt in Berlin.

Dutch right-wing politician Wilders of Freedom Party delivers speech in Berlin

Fünf Euro waren noch zu teuer: der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders bei seinem Auftritt in Berlin.

(Foto: REUTERS)

Dabei ist der große Blondierte mit der scharfen Zunge ein Star der Szene: Ein verbreitetes Unbehagen, fokussiert auf geschürte Ängste vor Euro-Krise und muslimischen Einwanderung, beschert ihr europaweit wachsenden Zulauf. Wilders' "Partei für die Freiheit" ist bereits jetzt drittstärkste Kraft im niederländischen Parlament - und ihre Umfragewerte steigen beständig weiter, seit ein wegen Volksverhetzung gegen ihn angestrengter Prozess im Juni mit Freispruch endete.

Wilders ist mit seinen Wahlerfolgen in Europa keineswegs allein. Überall - ob nun in den Niederlanden oder in Skandinavien, in der Schweiz oder in Österreich - können rechtspopulistische Parteien, die Ressentiments gegen Europa, Einwanderer und den Islam bedienen, Wahlerfolge feiern. Nur Deutschland sei "nicht in der selben glücklichen Lage wie wir in den Niederlanden". Das befand der Mann aus Venlo in Berlin mit dem gönnerhaften Bedauern eines erfolgreichen Onkels, der auf die Versager in seiner Familie trifft.

Tatsächlich ist die Bundesrepublik in der glücklichen Lage, dass sich Euro-Ängste und Islam-Abneigung kaum im Wahlverhalten der Bürger niederschlagen. Die deutschen Wilders-Fans, die nun in Berlin zum ersten Mal in Deutschland zu einer Wahl antreten, haben allen Umfragen zufolge keine Chance, auch nur in die Nähe eines Mandats im Abgeordnetenhaus zu kommen - genauso wenig wie die Gruppe "Pro Deutschland", die ebenfalls mit antiislamischen Parolen auf Stimmenfang geht. Die Wähler lassen die Populisten hierzulande bisher weitgehend rechts liegen.

Aber das liegt nicht etwa daran, dass die Deutschen immun sind gegen die Parolen solcher neuen Wutbürger-Bewegungen. Die Skepsis gegenüber dem Euro und der EU ist hierzulande eher noch größer als in vielen Nachbarländern. Und welche Ängste und Ressentiments die Themen Einwanderung und Islam wecken können, hat der Erfolg von Thilo Sarrazins gezeigt. Gleichzeitig verlieren die traditionellen Volksparteien das Vertrauen der Wähler. "Die Gelegenheit ist für populistische Gruppen eigentlich günstig", sagt der Populismus-Forscher Florian Hartleb. "Sie schaffen es nur nicht, ihr Potential zu mobilisieren."

Den Rechtspopulisten fehlt es an Köpfen

Dazu fehlen ihnen die Strukturen und die Köpfe. Während sich in der Schweiz und in Österreich die Populisten auf lang etablierte Parteien stützen, müssen sich deutsche Gruppen mühsam selbst erschaffen. Eine Partei aufzubauen, die bundesweit Beachtung findet, ist im großen, föderal aufgeteilten Deutschland deutlich schwieriger als in kleineren Nachbarländern. Wie Wilders mit einer Partei anzutreten, die nur aus einem einzigen Mitglied besteht und so dem bei Neugründungen üblichen Streit der Querulanten und Rechthaber ausweicht, würde hier das Parteiengesetz verhindern. Und vor dem Einzug in die Parlamente steht die Fünf-Prozent-Hürde.

Regeln wie diese wurden in der Bundesrepublik auch geschaffen, um den Aufstieg radikaler Gruppen zu erschweren, wie er den Nationalsozialisten in der Weimarer Republik gelang. Und Deutschlands Nazi-Vergangenheit ist erst recht ein Grund dafür, warum es den Rechtspopulisten an Köpfen fehlt. "Eine rechte Partei, die nicht belastet ist mit Neonazi-Verbindungen und Antisemitismus", wie sie Wilders für Deutschland will, ist hierzulande nur schwer vorstellbar. Schnell - und nicht immer, aber oft zu Recht - geraten solche Rechtsgruppen in den Ruch des Extremismus. Auch nur in der Nähe von Rechtsextremisten erwischt werden und sich damit der gesellschaftlichen Ächtung aussetzen will aber bisher niemand, der Rang, Namen und Bekanntheitsgrad besitzt. Auch Thilo Sarrazin nicht, mit dessen Namen und gegen dessen Willen die Rechtspopulisten so gerne werben.

Und so ist niemand in Sicht, der den deutschen Wilders für ressentimentgeladene Wutbürger geben könnte. Wenigstens bislang noch nicht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: