Rechtspopulist Blocher:Zeitenwende in der Schweiz

Jahrelang hat der Rechtspopulist Blocher die Politik geprägt. Jetzt versagt ihm das eigene Lager die Gefolgschaft.

Gerd Zitzelsberger

In der Schweiz hat die Zeitenwende begonnen: Jahrzehntelang prägte der rechtspopulistische Politiker und Multimillionär Christoph Blocher die Politik der Eidgenossenschaft. Niemand anderer in der Nachkriegsgeschichte hat das Land so polarisiert und über Jahre hinweg die Themen gesetzt, über diskutiert wurde.

Rechtspopulist Blocher: Langsamer Abstieg: Der Schweizer Rechtspopulist Christoph Blocher.

Langsamer Abstieg: Der Schweizer Rechtspopulist Christoph Blocher.

(Foto: Foto: dpa)

Jetzt aber schwindet langsam sein Einfluss. Selbst das Wort vom "Vatermord" geht unter den Eidgenossen schon um. Tatsächlich können sich Teile von Blochers Schweizerischer Volkspartei (SVP) eine Zukunft vorstellen, in der Blocher nicht mehr Übervater der Partei ist. Aber dass die Schweiz nach links schwenkt, bedeutet das keineswegs.

Palastrevolution in der SVP

Christoph Blocher, der am Samstag 68 Jahre alt wird, hat in seinem wöchentlichen Internet-Video zwar erklärt, dass es völliger Unsinn sei, dass eine Palastrevolution der Bundesparlamentarier gegen ihn stattgefunden habe.

Doch genau so fasst die ganze Schweiz Blochers Abstimmungsniederlage auf. Die SVP-Abgeordneten hatten vergangene Woche einen Antrag der Parteileitung abgelehnt. Darin hieß es, man wolle bei Blocher anfragen, ob er zu einer Kandidatur bereit sei, falls Verteidigungsminister Samuel Schmid sein Amt niederlegt. Schmids Stuhl wackelt nach diversen Fehlleistungen, und eine Hausmacht fehlt dem SVP-Dissidenten überdies.

Die Parteileitung der SVP wollte für den Fall des Schmid-Rücktritts schon vorab klare Verhältnisse schaffen. Doch sie und Blocher selbst hatten den Stimmungsumschwung in der Partei unterschätzt. Mit knapper Mehrheit lehnten es die Bundesparlamentarier ab, Blocher vorsorglich zum Kandidaten auszurufen.

Die Schmach, vom eigenen Lager düpiert zu werden, hat Blocher seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt. Er reagierte wie ein trotziges Kind: "Ich halte mich doch ohnehin schon im Hintergrund", sagt er in seinem Internet-Video. Dabei hat er es bis zuletzt genossen, als die Galionsfigur der Rechtspopulisten zu fungieren.

Die Ironie der Geschichte ist es, dass Blochers Abstieg, wie sich heute zeigt, mit einem seiner größten Erfolge begann: In zwei Jahrzehnten hatte er die SVP von einer Minigruppe zur größten Partei gemacht. Entgegen allen Prognosen hat es dann die SVP im vergangenen Jahr mit einem ganz auf Blocher zugeschnittenen und - nach Schweizer Maßstäben unanständigen - Wahlkampf geschafft, ihr Ergebnis nochmals zu verbessern.

Mit 29 Prozent der Stimmen erreichte sie zehn Prozentpunkte mehr als die Sozialdemokraten, die zweitstärkste Partei. Der bürgerlichen Mitte wurde es unheimlich. Dass ein einzelner Politiker so viel Macht hat, passt nicht zur Schweiz. Ihre Tradition und ihr System basieren darauf, dass Entscheidungen per Kompromiss und Konsens zustande kommen.

In einer Überraschungsaktion wählten deshalb Abgeordnete von links bis weit ins rechte Spektrum Blocher nicht noch einmal in die traditionelle All-Parteien-Regierung, der er vier Jahre lang als Justizminister angehört hatte. Die SVP verstand sich fortan als Opposition.

Doch zunächst unsichtbar öffnete sich in der früher sehr geschlossenen Partei eine Kluft. Die einen, zu denen wohl Blocher selbst gehört, erwarteten mit der Oppositionsrolle weitere Stimmengewinne bei der nächsten Wahl. Die anderen setzten aber auf die Rückkehr zur Kompromissbereitschaft und damit ins Kabinett.

Angst vor Europa

An der Schweizer Politik hat sich seit dem Ausscheiden der SVP aus dem Kabinett wenig geändert; die bürgerliche Mitte ist geradezu darauf bedacht, sich nicht von der SVP rechts überholen zu lassen. Potentielle Wähler könnten sich daher fragen, ob die SVP noch wichtig ist. Die Regierungsparteien haben zudem taktiert. Wenn Schmid zurücktritt, könne die SVP jeden als neuen Verteidigungsminister benennen, soweit rechts er auch stehen mag, heißt ihr Angebot an die SVP. Nur Blocher dürfe er nicht heißen.

Der jahrelang erfolgreiche Populist Blocher hat es am Ende aber auch selbst nicht mehr geschafft, den Spagat zu halten zwischen den kleinen Leuten, der Masse der SVP-Wähler, und dem Wirtschaftsflügel. Der wirtschaftsnahe Teil der SVP will die weitere Kooperation mit der EU. Ein großer Teil der traditionellen Wähler aber hat Angst vor den damit verbundenen Zuzugsmöglichkeiten für Rumänen und Bulgaren.

Blocher selbst hat diese Angst über Jahre hinweg geschürt, aber dann plötzlich versucht, eine Volksabstimmung über das Thema zu verhindern. An diesem Schwenk ist Blocher gescheitert. Die Volksabstimmung findet nun doch statt, und die SVP ist jetzt so in sich zerrissen, wie die bürgerlichen Parteien bei anderen Themen. Als Held wäre Blocher wohl in die Geschichte eingegangen, wenn er sich vor einem Jahr einfach zur Ruhe gesetzt hätte.

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