Rechtsextremismus:"Sie sind hier nicht die Opfer"

Nach 74 Verhandlungstagen wird im Prozess um die "Gruppe Freital" ein Urteil gesprochen. Es bleibt nah an der Forderung der Bundesanwaltschaft, die Strafen sind hoch, der Richter findet klare Worte.

Von Ulrike Nimz, Dresden

Im Prozess gegen die rechtsextreme "Gruppe Freital" hat das Oberlandesgericht Dresden hohe Haftstrafen verhängt. Die sieben angeklagten Männer und eine Frau wurden am Mittwoch unter anderem wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung, des Herbeiführens von Sprengstoffexplosionen und versuchten Mordes beziehungsweise Beihilfe dazu schuldig gesprochen.

Nach insgesamt 74 Verhandlungstagen sah das Gericht es als erwiesen an, dass die acht Angeklagten im Alter zwischen 20 und 40 Jahren aufgrund rechtsextremer Gesinnung in wechselnder Tatbeteiligung fünf Sprengstoffanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte und politische Gegner in Freital und Dresden verübt hatten.

Die beiden als Rädelsführer angeklagten Timo S. und Patrick F. wurden zu zehn Jahren sowie neun Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Der zur Tatzeit 18 Jahre alte Justin S., der umfangreich ausgesagt hatte, erhielt eine Jugendfreiheitsstrafe von vier Jahren. Der Haftbefehl gegen ihn wurde noch im Gerichtssaal auf Grundlage des Jugendstrafrechts ausgesetzt. Die einzige Frau in der Gruppe, die 29-jährige Maria K., wurde zu einer Gefängnisstrafe von fünfeinhalb Jahren verurteilt. Die übrigen vier Verurteilten erhielten Freiheitsstrafen zwischen acht und fünf Jahren.

"Dieses Verfahren ist einzig Konsequenz Ihrer Taten", sagt der Vorsitzende Richter

Mit dem Strafmaß bleibt das Gericht nah an der Forderung der Bundesanwaltschaft, die das Verfahren im April 2016 an sich gezogen und für fünf bis elf Jahre Freiheitsentzug plädiert hatte. Die Verteidigung hatte sowohl den Terror-Vorwurf als auch den des versuchten Mordes als überzogen zurückgewiesen und von einem "Schauprozess" gesprochen.

Der Vorsitzende Richter Thomas Fresemann sagte, die Angeklagten hätten gezielt die körperliche Versehrtheit und den Tod Asylsuchender, Engagierter und politischer Gegner in Kauf genommen. Wiederholt reagierten auf den Zuschauerbänken Unterstützer der Angeklagten mit Protestrufen. Etwa 100 Besucher waren in die umgebaute Kantine einer geplanten Flüchtlingsunterkunft gekommen, wo der Prozess unter hohen Sicherheitsvorkehrungen stattfand. Die Urteilsverkündung hatte sich verzögert, weil einige Besucher verspätet in den Saal kamen, darunter Angehörige der Angeklagten und ein Unterstützer aus dem Pegida-Umfeld. Die Taten seien konspirativ geplant gewesen, sagte der Vorsitzende, die Beweisaufnahme habe keinerlei Anhaltspunkte für ein absehbares Ende der Radikalisierung geliefert. "Hier haben nicht nur junge Menschen über die Stränge geschlagen", so Fresemann.

Die Angeklagten hatten sich bei Anti-Asyl-Protesten im Frühjahr 2015 kennengelernt, wenig später verübten sie die ersten Sprengstoffanschläge. Zunächst auf den VW Golf eines Freitaler Linke-Stadtrates und ein Parteibüro der Linken. Später deponierten die Täter nicht zugelassene Pyrotechnik des Typs "Super Cobra" an den Fenstern zweier Flüchtlingsunterkünfte. Mit Unterstützung der rechtsextremen "Freien Kameradschaft Dresden" überfielen sie ein alternatives Wohnprojekt von Flüchtlingsunterstützern.

"Es ging und geht nicht darum, ein Exempel zu statuieren", sagte Richter Fresemann am Ende des auf den Tag genau ein Jahr währenden Prozesses. "Dieses Verfahren ist einzig Konsequenz Ihrer Taten. Sie sind hier nicht die Opfer. Das sind die Menschen, die Sie in Angst und Schrecken versetzt haben."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: