Rechtsextremismus:Schlummernder Feind

Das Passauer Attentat zeigt, dass der Rechtsextremismus nicht nur Minderheiten bedroht, sondern den Staat. Ein NPD-Verbot würde die rechte Szene deutlich schwächen.

Peter Fahrenholz

Die Diskussion über den Rechtsextremismus hat etwas Rituelles. Wenn etwas Außergewöhnliches passiert, ein Anschlag auf Ausländer oder ein großer Neonazi-Aufmarsch, schlagen die Wogen der Empörung für kurze Zeit hoch, danach legt sich die Aufregung wieder.

Rechtsextremismus: Neonazi-Aufmarsch in Köln: Durch den Mordanschlag von Passau ist der Staat selbst vom Rechtsextremismus attackiert worden. (Archivbild)

Neonazi-Aufmarsch in Köln: Durch den Mordanschlag von Passau ist der Staat selbst vom Rechtsextremismus attackiert worden. (Archivbild)

(Foto: Foto: dpa)

Die ständigen Übergriffe mit fremdenfeindlichem Hintergrund, die Schmierereien und Friedhofsschändungen werden in der Öffentlichkeit ohnehin fast nicht wahrgenommen. Rechtsextremismus in Deutschland ist ein Problem, das gerne verdrängt wird. Es trifft ja irgendwie immer nur "die anderen", die Mitte der Gesellschaft sieht sich weder herausgefordert noch bedroht.

Das ist seit dem Mordanschlag von Passau anders. Diesmal sind es nicht irgendwelche Minderheiten, die attackiert worden sind. Der Staat selber in Gestalt des Passauer Polizeichefs Alois Mannichl war das Ziel des Angriffs. Das ist nicht neu. Schon seit Monaten beobachten die Experten, dass sich Gewalttaten von Rechtsextremisten gezielt gegen Polizeibeamte richten.

Die Ausschreitungen zum 1. Mai in Hamburg sind dafür nur ein Beispiel. Doch noch nie wurde ein einzelner Repräsentant der Staatsgewalt so gezielt das Opfer einer Gewalttat. Damit bekommt rechte Gewalt eine neue, viel bedrohlichere Dimension. Und damit wird auch klar: Der Rechtsextremismus in Deutschland ist ein schlummernder Feind, dessen Gefährlichkeit lange unterschätzt wurde.

Das hängt zum einen mit der intellektuellen Dürftigkeit der gesamten rechten Szene zusammen. Auch wenn bei der NPD inzwischen alerte, rhetorisch geschulte Funktionäre den Ton angeben, bleibt rechter Extremismus eine Sache von Dumpfbacken für Dumpfbacken. Es ist ein krudes Gebräu aus Rassismus, Antisemitismus, Chauvinismus und Verherrlichung der NS-Vergangenheit.

Während die Motive des islamischen Fundamentalismus Gegenstand hitziger Kontroversen sind, und die Jahrestage des RAF-Terrors noch immer Stoff für retrospektive Analysen bieten, taugt der Rechtsextremismus nicht für die Feuilletons. Dafür ist er einfach zu dumm. Es gibt keine Denkfigur der Rechten, die einer Auseinandersetzung wert wäre.

Rechtsextremismus ist in der Provinz Teil der Normalität

Zum anderen hängt die Unterschätzung des Rechtsextremismus auch damit zusammen, dass er in den Metropolen keine Rolle spielt. Rechtsextremismus ist eine Sache der Provinz, und beileibe nicht nur der ostdeutschen. Auch im Westen gibt es längst regionale Hochburgen, in denen Rechtsextremisten die Gesellschaft in einem Ausmaß unterwandert haben, dass sie sich dort wie der sprichwörtliche Fisch im Wasser bewegen können, weil sie als Teil der Normalität wahrgenommen werden.

Das ist auch das Erschreckende an dem Passauer Anschlag: Er war ein Racheakt, der aus einem subjektiven Gefühl der Stärke begangen wurde, die Tat hatte den Charakter einer Hinrichtung, die nur knapp misslungen ist.

Die Frage nach dem Ausmaß des rechten Netzwerks ist automatisch die Frage nach der NPD. Die NPD ist der legale Schutzschirm für Rechtsextremisten aller Couleur. Ihre Reaktion auf den Passauer Mordanschlag war verräterisch und dreist. Beim bayerischen NPD-Geschäftsführer, der die Tat verurteilte, schwang zugleich Verständnis dafür mit, dass bei all den Schikanen des Staates schon mal einer ausrasten könne. Solche Äußerungen sollten Anlass sein, sich mit einem erneuten NPD-Verbotsverfahren ernsthaft zu befassen.

Ein NPD-Verbot würde den Rechtsextremismus nicht besiegen, diese Illusion hat niemand. Aber es würde den Aktionsradius der Rechten auf Jahre hinaus entscheidend einengen. Nicht nur, weil ihre finanzielle Basis ausgetrocknet würde. Sondern auch, weil es dann nicht mehr möglich wäre, unter dem Deckmantel von Bürgersprechstunden und Nachbarschaftsfesten Agitation zu betreiben und dabei von der Polizei auch noch geschützt zu werden.

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