Rechtsextremismus:Richter im NSU-Prozess machen Tempo

NSU-Prozess

Manfred Götzl (2. von rechts) und seine Richter-Kollegen im NSU-Prozess (Bild von 2015).

(Foto: dpa)
  • Im NSU-Prozess hat das Gericht in dieser Woche die Ladung mehrerer Zeugen abgelehnt.
  • Darunter ist ein ehemaliger V-Mann, der Beate Zschäpe und Uwe Mundlos beschäftigt haben soll. Er lebt in der Schweiz, weshalb ein Rechtshilfeersuchen nötig wäre.
  • Eine staatliche Mitverantwortung für die Taten des NSU sieht das Gericht nicht.

Von Annette Ramelsberger und Rainer Stadler

Nach drei Jahren Verhandlung ist das Gericht im NSU-Prozess offenbar entschlossen, in die Zielgerade einzubiegen. Am Mittwoch hat Richter Manfred Götzl abgelehnt, einen interessanten Zeugen aus der Schweiz zu befragen, der früher V-Mann des Verfassungsschutzes war und die Angeklagte Beate Zschäpe und auch ihren rechtsradikalen Gefährten Uwe Mundlos während der Zeit im Untergrund beschäftigt haben soll. Bereits am Tag zuvor hatte das Gericht auch die genauere Erforschung des Vorwurfs abgelehnt, dass der Verfassungsschutz den Aufenthaltsort der Terrorzelle NSU kannte und nichts tat, um die Morde zu verhindern. Offenbar ist dem Gericht nun das Umfeld des NSU genügend aufgeklärt. Und es hat bereits deutlich gemacht: Es sieht den Staat nicht als mitverantwortlich für die Taten des NSU.

Nun hat der Senat also abgelehnt, jenen früheren V-Mann des Verfassungsschutzes, Ralf Marschner, als Zeugen vorzuladen. Der rechtsradikale Marschner mit dem Decknamen "Primus" soll Uwe Mundlos und Beate Zschäpe nach deren Abtauchen in den Untergrund im Januar 1998 zeitweise in seiner Baufirma in Zwickau beschäftigt haben. Laut Zeugen seien sie damals auch mit Fahrzeugen der Firma unterwegs gewesen. Marschner selbst bestritt, Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zu kennen.

Das Gericht argumentierte nun, selbst wenn Marschner die Drei gekannt und beschäftigt hätte, sei dies ohne Einfluss auf die Frage, ob die Angeklagten im NSU-Prozess die ihnen zur Last gelegten Taten begangen hätten oder nicht. Eine mögliche Mithilfe Marschners zu klären, sei nicht die Aufgabe des NSU-Verfahrens.

Nebenklage-Anwalt Sebastian Scharmer kritisierte den Beschluss: Die Aufklärung des Netzwerkes NSU werde damit unterbunden. "Marschner wäre einer der wichtigsten Zeugen in diesem Prozess gewesen." Über die Zeit des Untertauchens und die Verbindungen des NSU-Trios mit der Naziszene in Zwickau lägen bisher kaum Erkenntnisse vor.

Bei Anfragen zu Zeugenvernehmungen lassen die Schweizer sich Zeit

Die Bundesanwaltschaft hatte schon vor zwei Wochen zu bedenken gegeben, dass Auslandszeugen wie Marschner nur durch langwierige Rechtshilfeprozeduren vor ein deutsches Gericht zu bekommen seien und das den bereits drei Jahre währenden Prozess erneut um Monate verzögern könne. Götzl hatte zunächst noch sehr interessiert nachgefragt, ob Rechtsanwalt Scharmer die Adresse von Marschner habe. Ganz offensichtlich hat sich das Gericht auch beim Verfassungsschutz erkundigt, ob der Zeuge ohne größere Umstände greifbar ist.

Das scheint nicht der Fall zu sein. Der Zeuge lebt in der Schweiz. Und auf neue Rechtshilfeersuchen wollte sich das Gericht wohl nicht mehr einlassen: Bei den letzten Anfragen zu Zeugenvernehmungen hatten sich die Schweizer neun Monate Zeit gelassen.

Ein Informant wusste 1998, dass das Trio eine Waffe haben wollte

Gestern hatte das Gericht bereits abgelehnt, Teilnehmer einer Besprechung zwischen dem Innenministerium Brandenburg und Verfassungsschützern aus Sachsen und Thüringen vorzuladen. Bei diesem Treffen am 17.9.1998 war es um die Mitteilung eines Informanten gegangen, wonach ein Mitglied der rechtsradikalen Organisation "Blood & Honour" eine Waffe für das untergetauchte Trio besorgen solle. Mit dieser Waffe sei ein Raubüberfall geplant, anschließend wolle sich das Trio ins Ausland absetzen, hatte der Informant erklärt. Bei dem Treffen war allerdings beschlossen worden, diese Mitteilung nicht an die Polizei zu übergeben, um den Informanten des Verfassungsschutzes nicht zu gefährden.

Damit unterblieben auch Versuche, den momentanen Aufenthaltsort der Geflüchteten zu ermitteln und ein mögliches Verbrechen zu verhindern. Der Verfassungsschutz habe so "die Mordserie des NSU erst ermöglicht", hieß es in dem Antrag, den Vertreter der Nebenklage im NSU-Prozess eingereicht hatten. Richter Götzl beschied dagegen, der Senat ziehe nicht den Schluss, "dass staatliche Mitverantwortung zu den angeklagten Taten bestehe". Selbst wenn ihre Wohnung ermittelt worden wäre, hätte das nicht zwingend zu deren Festnahme geführt.

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