Rechtsextremismus:NPD-Verbotsverfahren: Tag der strengen Fragen

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Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts, Peter Müller (links), Präsident Andreas Voßkuhle (Mitte) und Herbert Landau bei der Sitzung am 2. März 2016 in Karlsruhe. (Foto: dpa)
  • Die Richter des Bundesverfassungsgerichts prüfen, ob die NPD nicht nur der Gesinnung nach verfassungsfeindlich ist, sondern auch durch Taten das Grundgesetz zu beseitigen versucht.
  • Sie stellen dabei etwa die Frage, ob die NPD überhaupt bedeutend genug ist, um dazu in der Lage zu sein.
  • Zuvor hatten sie den Verdacht ausgeräumt, der Verfassungsschutz könnte V-Leute im NPD-Vorstand haben.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Der Satz aus dem Munde des Verfassungsgerichtspräsidenten klang fast ein wenig beiläufig. Aber nach dem Drama des Jahres 2003, als der erste, vom Verfassungsschutz kontaminierte Anlauf zu einem NPD-Verbot am Rechtsstaat zerschellt war, werden die Vertreter des Bundesrats aufgeatmet haben: "Nach der vorläufigen Einschätzung des Senats hat die mündliche Verhandlung bestätigt, dass ein Verfahrenshindernis nicht besteht", sagte Andreas Voßkuhle am Mittwoch zum Auftakt des zweiten Verhandlungstags.

Akribisch waren die Richter am Vortag jedem noch so vagen Verdacht nachgegangen, die Augen und Ohren des Verfassungsschutzes könnten doch noch NPD-Vorstände ausspähen und belauschen. Voßkuhles Fazit war damit nicht weniger als ein Startschuss: Die V-Mann-Frage ist vom Tisch. Die eigentliche Prüfung, ob die NPD verfassungswidrig ist, kann beginnen.

Allein wegen der Gesinnung darf eine Partei nicht verboten werden

Einfacher wurde es für die Bevollmächtigten des Bundesrats dadurch nicht. Christoph Möllers, Professor an der Berliner Humboldt-Universität, erläuterte zwar in gewohnter Eleganz, wie er sich die Voraussetzungen eines Parteiverbots vorstellt. Zwar sei ein Gesinnungsverbot nach dem Grundgesetz eindeutig unzulässig. "Reine Überzeugungen genügen nicht, um eine Partei zu verbieten."

Zweitens aber müsse der Staat nicht warten, bis eine Partei in die Gewalttätigkeit abgerutscht ist. Eine Partei könne auch mit legalen Mitteln - wie es im Grundgesetz heißt - "darauf ausgehen", die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen. Entscheidend ist für Möllers daher, dass das Wort auf die Tat angelegt ist - oder, in seinen Worten: das "handlungsleitende Potenzial" eines politischen Programms.

Diese Formel sollte ein besonders vertracktes Hindernis abräumen. Zwar sind zahlreiche Äußerungen der NPD und ihrer Anhänger ausländerfeindlich, rassistisch, antisemitisch. Und viele Aktionen dienen offenkundig dazu, politische Gegner einzuschüchtern. Daran lässt der Verbotsantrag des Bundesrats keinen Zweifel. Andererseits bewegen sich ihre Funktionäre und Aktivisten - trotz nicht weniger Beispiele etwa von Volksverhetzung - eben oft im gerade noch zulässigen Bereich von Meinungs- und Demonstrationsfreiheit. Der Senat wird also vor der Frage stehen: Kann das an sich legale Verhalten Einzelner in der Summe für ein Verbot reichen?

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Skeptische Nachfragen von den Richtern des Zweiten Senats

Kaum überraschend, dass die Nachfragen aus dem Zweiten Senat skeptisch waren. Peter Müller, Berichterstatter im Verfahren, konfrontierte Möllers erst einmal süffisant mit dessen eigener Skepsis gegen Parteiverbote, die der Professor in einem Buch geäußert hatte. Ein Parteiverbot sei doch eigentlich ein "Selbstwiderspruch", sagte Müller, weil damit der demokratische Prozess unterbunden werde. Müsse es da nicht wirklich "dick" kommen, bevor man eine Partei verbiete?

Monika Hermanns wollte wissen, ob nicht doch eine gewisse Gefahr vorliegen müsse, dass eine Partei ihre Ziele realisieren könne. Auch die Frage von Doris König schien darauf zu zielen, dass die NPD derzeit eine politisch unbedeutende und randständige Partei ist. "Braucht es nicht gewisse Anhaltspunkte, dass sich gewisse politische Situationen verwirklichen könnten?"

Parteiverbote sollen nur in extremen Ausnahmefällen möglich sein

Ist damit die Aussicht auf ein Verbot schon wieder dahin? Die strengen Fragen von der Richterbank erweckten zeitweise diesen Eindruck, aber sie hatten wohl vor allem ein Ziel: Das Gericht will einen sehr strikten Maßstab formulieren, der Parteiverbote nur in extremen Ausnahmefällen möglich macht - ein Maßstab, der weit über dieses Verfahren hinaus reichen soll.

Für die NPD könnte es dennoch schlecht ausgehen. Parteien, die "typischerweise" die Menschenwürde gefährdeten, müsse man verbieten können, forderte Alexander Ignor, Anwalt des Bundesrats. "Und rassistische Programme gefährden typischerweise die Menschenwürde" - auch ohne tätliche Angriffe. Mit Blick auf den biologistischen Volksbegriff der NPD, der auf Ausgrenzung Nichtdeutscher setzt, fügte Möllers hinzu: Die Menschenwürde erfordere ein Minimum an Gleichbehandlung im politischen Prozess. Andreas Voßkuhle griff dieses Konzept dankbar auf: "Das ist mir sehr sympathisch."

© SZ vom 03.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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