Rechtsextremismus:Bundesregierung will Neonazi-Aufmärsche verbieten

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Noch vor dem 60. Jahrestag des Kriegsendes soll das Versammlungs- und Strafrecht verschärft werden. Damit will die Regierung die Möglichkeit schaffen, Neonazi-Aufmärsche vor Holocaust-Gedenkstätten verbieten. Außerdem soll die Verherrlichung der Nazi-Herrschaft als Volksverhetzung bestraft werden können.

Noch vor dem 60. Jahrestag des Kriegsendes wollen Innen- und Justizministerium das Versammlungs- und Strafrecht verschärfen.

Das teilten Bundesinnenminister Otto Schily und Justizministerin Brigitte Zypries in Berlin mit. Damit will die Bundesregierung die Möglichkeit schaffen, Neonazi-Aufmärsche vor Gedenkstätten wie dem Holocaust-Mahnmal in Berlin künftig zu verbieten.

Das Versammlungsrecht soll so verändert werden, dass rechtsextremistische Versammlungen vor allen Gedenkstätten in Erinnerung an die NS-Gewaltverbrechen verboten werden können.

Zugleich soll der Straftatbestand der Volksverhetzung ausdrücklich auch auf die Verherrlichung und Verharmlosung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft beziehungsweise auf die Missachtung des Andenkens an die Opfer des Holocaust erweitert werden.

Durch diese Neuregelung des Strafrechts können laut Zypries auch solche Versammlungen verboten werden, die an anderen Orten als den NS-Gedenkstätten angemeldet werden.

Zypries begründete die Verschärfung des Strafrechts mit bestehenden Gesetzeslücken: "Rechtsextremisten dürfen nicht von Strafbarkeitslücken profitieren."

Schily sagte, die Neuregelungen sollten so rasch verabschiedet werden, dass schon die geplanten Versammlungen der rechtsextremen NPD zum 60. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai verboten werden könnten. "Die Aufmerksamkeit der ganzen Welt ist dann auf Deutschland gerichtet", erklärte Zypries.

Unterstützung der Union noch unklar

Offen ist noch, ob die Vorschläge Koalitionsentwürfe werden und ob die Union sie unterstützt.

Im Einzelnen ist vorgesehen, im Versammlungsrecht eine Neuregelung aufzunehmen, wonach Aufmärsche an solchen Orten verboten werden können, die an "die Opfer organisierter menschenunwürdiger Behandlung erinnern", wie Schily ausführte.

Dazu zählte er das Holocaust-Mahnmal in Berlin und frühere Konzentrationslager. Diese Orte sollten aber noch in einer Rechtsverordnung des Bundes genauer festgelegt werden, der der Bundesrat dann zustimmen müsste.

Das Brandenburger Tor könnte darunter aber nicht generell gefasst werden, sagte Schily. Doch könnte das Parlament etwa den befriedeten Bezirk um den Reichstag erweitern.

Darüber hinaus soll das Strafrecht so verschärft werden, dass nicht nur das Leugnen oder Verharmlosen des Holocaust verfolgt wird, sondern auch das Verherrlichen oder Verharmlosen der NS-Gewalt- und Willkürherrschaft, wenn dadurch der öffentliche Friede gestört wird.

Zypries sagte, vorgesehen sei als Strafmaß eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.

Schily verwies ausdrücklich darauf, dass auch die Versammlung der NPD am Brandenburger Tor verboten werden könnte, wo die Partei am 7. und 8. Mai aufmarschieren will.

"Stellen, wo solche Versammlungen nicht möglich sind"

Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering sprach sich für schärfere Versammlungsverbote aus. Dadurch werde das Versammlungsrecht, "das ein hohes Gut ist bei uns in Deutschland, nicht in seiner Substanz getroffen", sagte Müntefering im RBB-Inforadio.

Aber "es muss bestimmte Stellen geben, wo solche Versammlungen nicht möglich sind", sagte der SPD-Chef mit Blick auf NPD-Veranstaltungen an zentralen Stellen mit Symbolgehalt. Er hoffe, "dass wir das schnell miteinander klären können".

Die Prüfung eines neuen NPD-Verbotsantrages durch die Bundesregierung kann sich unterdessen noch lange hinziehen. Ein Zeitpunkt dafür könne nicht vorhergesehen werden, sagte Schily.

"Wenn wir nach Prüfung aller Umstände davon ausgehen können, dass ein Verbotsverfahren Aussicht auf Erfolg hat, dann werden wir diese Möglichkeit ergreifen", sagte Schily.

Auch der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) rechnet nicht damit, dass in absehbarer Zeit ein neuer NPD- Verbotsantrag gestellt wird. Im RBB-Inforadio sagte er, die Innenministerkonferenz werde zu dem Ergebnis kommen, dass ein solcher Antrag "auf die Schnelle nicht durchführbar sein wird".

Die Konferenz befasst sich heute auf Initiative Brandenburgs mit den Chancen einer Neuauflage des NPD-Verbotsverfahrens.

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