Rechtsextreme Partei:Merkel zögert NPD-Verbotsantrag hinaus

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) NPD-Verbot

Fragt sich, ob das gesammelte Material gegen die NPD für ein Verbot ausreicht: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)

(Foto: dapd)

"Einige rechtliche Risiken": Bundeskanzlerin Merkel will ihre Regierung erst im kommenden Jahr entscheiden lassen, ob sie ein Verbot der rechtsextremen NPD beantragen wird. Bundestagspräsident Lammert formuliert seine Zweifel noch deutlicher.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Die Bundesregierung will erst im nächsten Jahr entscheiden, ob sie gemeinsam mit den Ländern ein Verbot der rechtsextremen NPD beantragen wird. "Wir haben unsere Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag nach einem Treffen mit den Ministerpräsidenten der Länder in Berlin. Die Bundesregierung wolle ihre Entscheidung "im ersten Quartal des nächsten Jahres" treffen.

Merkel sagte, es gebe zwar "eine sehr eindrucksvolle Faktensammlung" über die NPD, aber eben auch "einige rechtliche Risiken". Die Frage sei, ob das Material für ein Verbot der Partei reiche. "Und das müssen wir noch weiter bewerten." Es gelte nun, "die Frage des Risikos abzuwägen". Zuvor hatte sich die Ministerpräsidentenkonferenz einstimmig darauf geeinigt, ein neues Verbotsverfahren gegen die NPD auf den Weg zu bringen. Die Regierungschefs waren damit dem Votum ihrer Innenminister gefolgt, die sich schon am Mittwoch dafür ausgesprochen hatten.

Die Bedenken, die Merkel mit weiteren Mitgliedern der Bundesregierung wie Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) teilt, gehen auch darauf zurück, dass der Versuch, die NPD verbieten zu lassen, im Jahr 2003 bereits einmal gescheitert war. Damals hatte sich herausgestellt, dass zahlreiche Spitzenfunktionäre der Partei, deren Äußerungen zum Teil im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eine Rolle spielten, zugleich als V-Leute für den Verfassungsschutz gearbeitet hatten.

Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) betonte vor diesem Hintergrund, die mehr als 1000 Seiten starke Materialsammlung gehe diesmal "ausschließlich auf offene Quellen" zurück. Es gebe darin "keinen Bezug" auf Material, das von Informanten des Verfassungsschutzes stamme. "Ich bin sicher, dass dies so ist", sagte Lieberknecht. "Wer sich die Beweissammlung im Einzelnen ansieht, kann das auch nachvollziehen." Der Verbotsantrag der Bundesländer habe "gute Erfolgsaussichten", so die Landeschefin.

Bedenken aus Hessen und dem Saarland

Skeptisch äußerte sich Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). "Die Risiken sind seit dem Scheitern des ersten Verbotsverfahrens nicht unbedingt geringer geworden", sagte sie der Welt. Es bestehe die Gefahr, dass ein Verbot später vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aufgehoben werde. Noch stärkere Zweifel meldete Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) an. "Man soll es besser bleiben lassen", sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Obwohl das Votum in der Runde der Ministerpräsidenten einstimmig ausfiel, ließen Hessen und das Saarland ihre Bedenken nach Angaben von Teilnehmern in einer Protokollnotiz festhalten. Der Verbotsantrag soll laut Ministerpräsidentin Lieberknecht bereits in der nächsten Sitzung des Bundesrats am Freitag kommender Woche auf der Tagesordnung stehen.

Derweil erzeugte die NPD erneut einen öffentlichen Eklat. Vor einer Gedenkminute für die Mordopfer der rechtsextremen Zwickauer Terrorzelle im Landtag in Schwerin verließ die Fraktion der Rechtsextremisten am Donnerstag demonstrativ den Sitzungssaal.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: