Rechter Terror in Deutschland:Die Radikalisierung der "Nazi-Mädels"

In der öffentlichen Wahrnehmung ist rechte Gewalt männlich - bis jetzt. Mit der Terroristin Beate Z. wird nun die weibliche Seite des braunen Netzwerks sichtbar. Tatsächlich sind immer mehr Frauen der Szene gewaltbereit. Sie wollen nicht mehr nur die "Mädels" sein, sondern "politische Soldatinnen" mit der "naturgegebenen Verpflichtung" als deutsche Mutter.

Andrea Röpke

Ulrike Meinhof, die bewundert sie, sagt die vierfache junge Mutter aus Hildesheim. Ricarda Riefling ist beliebt in der Neonazi-Szene; vergangene Woche wurde sie in den Bundesvorstand der NPD gewählt. Wer verstehen will, welche Macht Beate Z. in dem Terroristen-Trio hatte, das mehr als zehn Jahre lang mordete, der muss sich mit Ricarda Riefling beschäftigen.

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Sie sind auf kommunaler Ebene aktiv, organisieren braune Kinderfeste und drillen Jugendliche in Lagern: Die Neonazi-Frauen sind vor allem deshalb gefährlich, weil sie radikalste Positionen verharmlosen.

(Foto: ddp)

Im August 2010 gab sie dem Netzradio Germania ein Interview. Es war das erste Mal, dass einer Kameradin dort zwei Stunden Redezeit gewährt wurde. Immer wieder brachte sie den Moderator ins Stottern. Beim reaktionären Weltbild und den rassistischen Ansichten waren sich die beiden einig, aber dann lobte die 28-jährige Blondine mit dem arglosen Mädchengesicht fast trotzig die Mitbegründerin der Roten Armee Fraktion. "Ulrike Meinhof, oha, oha!" Der Moderator stöhnte auf. Ricarda Riefling legte nach: Sie bewundere sie als "Überzeugungstäterin".

Riefling macht keinen Hehl daraus, wo ihre politischen Wurzeln liegen: "Bei den radikalen freien Kräften." Die junge Aktivistin aus Niedersachsen, die ihr Abitur mit der Gesamtnote 1,5 abschloss, ist verheiratet mit einem ehemaligen Anführer der in der Bundesrepublik verbotenen rechten Untergrundorganisation "Blood & Honour".

Im "Ring Nationaler Frauen" der NPD hat sie ihre politische Heimat gefunden. Ihre Parole lautet: "Wir sollten in Zukunft viel stärker nach dem Leitsatz verfahren: Was Deutschland nutzt, muss getan, was Deutschland schadet, muss gelassen werden". Bei Facebook beschreibt sie sich als "nationalistisch - sozialistisch - revolutionär".

Frauen wie Ricarda Riefling wollen nicht mehr nur die Freundin eines Neonazis sein. Ihr Anteil in der sogenannten NS-Bewegung liegt inzwischen bei rund 20 Prozent. Obwohl die Szene eine Männerbastion ist, erkämpfen sie sich Freiräume - und werben auf ihre Weise für die Neonazis. Sie sind auf kommunaler Ebene aktiv, organisieren braune Kinderfeste, helfen beim Nationalen Sanitätsdienst, drillen Jugendliche in Lagern, reden bei Aufmärschen.

Stolz verkündet der "Ring Nationaler Frauen" auf seiner Homepage, man werde das "Geschehen an der Parteispitze" nun mitgestalten: "antifeministisch, traditionsbewusst und volkstreu". Neonazi-Frauen tragen die verordnete Rolle mit, propagieren die "naturgegebene Verpflichtung" als deutsche Mutter, auch wenn sie als moderne Pop-Nazis auftreten. Sogenannte Mutterfrauen wie Riefling träumen von der "deutschen Scholle" und einer homogenen "Volksgemeinschaft". Sie sind nicht weniger fanatisch als die Männer.

Zu Beate Z. äußern sich Neonazi-Frauen derzeit nur verhalten. Sie sehen sich und die "Bewegung" in der Opferrolle. "Ob in Schweden jemand mordet oder in der Bundesrepublik - was auch immer geschieht und nicht von Islamisten oder nachweislich Antinationalen ausgeht - sofort soll die NPD dafür verantwortlich gemacht und verboten werden," heißt es auf der Homepage des RNF.

"Aggressiver als die Kerle"

Vor wenigen Jahren jedoch gründeten die thüringischen Neonazi-Frauen Isabell Pohl und Mareike Bielefeld den Mädelring Thüringen. Sie wollten "politische Soldatinnen" im "nationalen Widerstand" sein. Der Mädelring zerfiel, die beiden machten weiter. Sie gehören dem Kameradschafts-Netzwerk an, welches der untergetauchten Z. und ihren Komplizen Geld und Unterstützung verschaffte.

Auch die Aussteigerin Lisa aus dem thüringischen Vogtland kennt den Thüringischen Heimatschutz, die politische Heimat von Beate Z.. Lisa erinnert sich an die Rolle der Frauen in deren Reihen. In den Anfängen der Kameradschaften Mitte der 90er Jahre seien die Mädchen nur "weitergereicht" worden; "es war ein einziger Swingerclub." Doch Frauen wie Lisa wollten eine eigenständige Rolle spielen. Die Mittdreißigerin sagt heute: "Die Mädels waren fast aggressiver als die Kerle."

In der öffentlichen Wahrnehmung ist rechte Gewalt männlich. Tatsächlich aber sind immer mehr junge Mädchen und Frauen der Szene gewalttätig oder gewaltbereit. Ihr Anteil wird von den Expertinnen des Forschungsnetzwerkes Frauen und Rechtsextremismus inzwischen bei rund zehn Prozent verortet. Weiblicher Hass richtet sich, wie jener der Männer, gegen Migranten, Obdachlose, politische Gegner und Homosexuelle.

Die meisten Taten sind Propagandadelikte, bis hin zu strafbarer Volksverhetzung. Manche Frauen beteiligen sich an Wehrsportübungen, glauben an einen nahen Bürgerkrieg und proben das "Überleben in der Krise". 182 Menschen wurden seit der Wende von Neonazis ermordet, nun zeigt sich, dass zumindest eine Frau an den Morden beteiligt war. Endlich richtet sich der Blick der Gesellschaft auf die Gewaltbereitschaft und den Terror von rechts. Dass es dort Täterinnen gibt - darüber herrscht Erstaunen.

Denn noch agieren Neonazi-Frauen meist doppelt unsichtbar. Sie werden von den Männern der Szene nicht wahrgenommen - und noch viel weniger von der Zivilgesellschaft, den Medien und Behörden. Dabei scheinen immer mehr junge Frauen zum Äußersten bereit. Als 2003 die Kameradschaft Süd einen Bombenanschlag auf die Grundsteinlegung der jüdischen Synagoge plante, beteiligten sich mindestens drei junge Mädchen an der Planung. Vor Gericht allerdings wurde diese Unterstützung nicht sonderlich ernst genommen.

Gefahr durch Verharmlosung

Als die militanten Kameradschaften "Fränkische Aktionsfront" und "Kameradschaft Tor Berlin" verboten wurden, untersagte man deren angegliederte "Mädelgruppen" mit, doch diese Tatsache wurde öffentlich wenig reflektiert. Es ist jedoch lächerlich zu glauben, Beate Z. habe aus Mitläufertum oder gar aus Liebe 13 Jahre im Untergrund verbracht. Das erfordert eine feste Gesinnung und eisernen Durchhaltewillen.

Dass Frauen aus der rechten Szene in die Illegalität gehen, wird die große Ausnahme bleiben. Sie sind vor allem deshalb gefährlich, weil sie für die Neonazi-Ideologie werben, weil sie radikalste Positionen verharmlosen. Häufig sind sie unauffällige Unterstützerinnen. Als kurz nach Kriegsende viele belastete SS-Verbrecher untertauchten und ins Ausland geschleust wurden, gehörten überzeugte Nationalsozialistinnen zu den wichtigsten Fluchthelfern. Sie bildeten sogenannte Gute Häuser, gewährten Massenmördern Unterschlupf und Essen, sammelten Geld oder reichten Gnadengesuche ein.

Kein Wunder also, dass auch im Komplizennetzwerk der Zwickauer Zelle immer mehr Frauen sichtbar werden. Ideologische Wegbereiterinnen wie Ricarda Riefling gibt es viele im "nationalen Widerstand".

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