Rechnungshof mahnt Regierung:Staat verschwendet 1,5 Milliarden Euro

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Verrottete Gewehrpatronen, zu hohe Fördergelder für Wissenschaftler und nicht gezahlte Beiträge an die Sozialversicherungen: Der Präsident des Bundesrechnungshof rügt eine massive Verschwendung von Steuergeldern. Kritik gibt es auch am künftigen Rettungsschirm ESM.

Guido Bohsem, Berlin

Da wäre zum Beispiel die Sache mit der verrotteten Munition: 227 Millionen Gewehr-Patronen lagert die Bundeswehr, damit die Soldaten immer genug zu schießen haben. Schon 2002 ermahnte der Bundesrechnungshof das Militär, sorgfältiger mit den eingebunkerten Geschossen umzugehen. Vergebens. Inzwischen sind etwa 40 Prozent der Patronen verrostet. Die Soldaten könnten sie bestenfalls noch auf den Feind werfen.

 Dieter Engels, Präsident des Bundesrechnungshofes, bei der Vorstellung der "Bemerkungen 2011" seiner Behörde. (Foto: dpa)

Der Schaden beläuft sich auf 46 Millionen Euro. Das jedenfalls schätzt der Rechnungshof. Der Schaden könnte aber auch höher sein, genau weiß das die Bundeswehr nicht. Damit die Soldaten im Auslandseinsatz auf jeden Fall schießfähiges Material erhalten, werden die 227 Millionen Schuss seit 2010 überprüft. Insgesamt 30 Soldaten und Depotmitarbeiter kümmern sich um diese verdienstvolle Aufgabe, sie packen jede einzelne Patrone aus und nehmen sie in Augenschein. Doch trauen die Militärs den eigenen Leuten offenbar nicht so richtig. Zur Sicherheit bestellten sie bereits neue Patronen für 17 Millionen Euro.

Die Sache mit der verrotteten Munition ist nur eins von vielen Beispielen der Verschwendung von Steuergeld, die der Präsident des Bundesrechnungshofes, Dieter Engels, am Dienst in Berlin vorstellte. Auf 1,5 Milliarden Euro addieren sich die Fälle, welche die Bonner Prüfbehörde in ihren "Bemerkungen 2011" beanstandet.

Ein besonderes Augenmerk richtet sie auf den in den vergangenen Jahren deutlich ausgeweiteten Bildungsetat. Nach Engels Worten fließt das Geld in diesem Bereich inzwischen so üppig, dass manche Wissenschaftler in einem Ausmaß gefördert werden, wie sie es selbst nicht wollen. Etwa die Helmholtz-Gemeinschaft, die größte Wissenschaftsorganisation im Lande, verfügt über Reservemittel von 300 Millionen Euro - das Geld konnte in den vergangenen Jahren einfach nicht ausgegeben werden. Dabei bemühte sich der Wissenschaftsclub nach Erkenntnissen des Rechnungshofes durchaus: Allen 30 Einzelprogrammen der Gemeinschaft wurden von Prüfern durchweg exzellente Qualität und hohe strategische Bedeutung attestiert. Sie erhielten deshalb allesamt mehr Geld als sie beantragt hatten.

Doch gilt die Kritik der Bonner Behörde auch deutlich höheren Posten. Auf Druck des Rechnungshofs muss das Bundesversicherungsamt seit 2010 die Summe der nicht gezahlten Beiträge an die Rente, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung ausweisen. Im September dieses Jahres belief sich die Summe auf knapp sieben Milliarden Euro. "Kein kleiner Betrag", wie Engels etwas süffisant anmerkte. Das Sozialministerium müsse nun ermitteln, von wem und warum nicht gezahlt werde. Immerhin könnte man die Sozialbeiträge um 0,7 Prozentpunkte senken, wenn alle offenen Beiträge eingetrieben werden.

Engels monierte zudem, dass im Kampf gegen die Schuldenkrise der künftige europäische Rettungsschirm ESM keinerlei unabhängiger Aufsicht unterliege. Gemeinsam mit den Rechnungshöfen aus den anderen Euro-Staaten fordern die Bonner Prüfer nun, dass sie das Milliarden-Konstrukt regelmäßig kontrollieren darf.

© SZ vom 16.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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