Reaktionen:"Immer etwas in der Rückhand"

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Nach der Auslieferung des einstigen Waffenhändlers Karlheinz Schreiber hoffen Politiker der SPD und Grünen auf neue Erkenntnisse in der CDU-Spendenaffäre. Besonders einen prominenten CDU-Politiker könnten mögliche Enthüllungen Schreibers in die Bredouille bringen.

Nach der Auslieferung des einstigen Waffenhändlers Karlheinz Schreiber hofft Grünen-Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele, dass die Schlüsselfigur der CDU-Parteispendenaffäre "nun wirklich auspackt". Schreiber solle jetzt vor Staatsanwaltschaft und Richter "der vollen Wahrheit die Ehre geben", sagte Ströbele, der Mitglied im damaligen Untersuchungsausschuss zu der Parteispendenaffäre war.

Grünen-Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele hofft auf neue Erkenntnisse in der CDU-Spendenaffäre. (Foto: Foto: ddp)

Eine Reihe wichtiger Fragen sei noch offen, darunter die Verwendung der 100.000-Mark-Spende von Schreiber an den heutigen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Ströbele schloss nicht aus, dass ein neuer Untersuchungsausschuss nötig sein könnte, falls Schreiber aussage.

Ströbele hob hervor, dass der Prozess gegen Schreiber sehr schnell beginnen könnte, denn die Anklage liege bereits vor. Zwar könne die Verteidigung noch Fristen geltend machen. Doch habe er "volles Vertrauen zur Augsburger Justiz". Dass Schreiber nun tatsächlich ausgeliefert worden sei, damit habe er nach den zehnjährigen Bemühungen der deutschen Justiz kaum noch gerechnet. Es sei auch "völlig in Ordnung", wenn das Bundesjustizministerium alles dafür tue, dass ihm der Prozess gemacht werde.

Kanzlerin Merkel mischt sich nicht ein

Auch die Bundeskanzlerin meldet sich zu Wort: Angela Merkel wird sich nicht für den Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber einsetzen. Das erklärte der stellvertretende Regierungssprecher Klaus Vater in Berlin.

Schreiber habe sich an die Kanzlerin mit dem Hilfsersuchen gewandt, sagte Vater. Da der Brief aber zu spät gekommen sei, sei keine Zeit zu einer unmittelbaren Reaktion vor der Abschiebung gewesen. Aber selbst wenn es diese Zeit gegeben hätte, "hätte sie es auch nicht getan", betonte Vater. Zu Einzelheiten des Schreibens oder der von Schreiber gewünschten Einflussnahme wollte er nichts sagen.

Merkel wurde Nachfolgerin von Wolfgang Schäuble, der im Zuge der Parteispendenaffäre von seinem Amt als CDU-Voristzender zurückgetreten war.

Neumann: Womöglich neue Details über Schäuble

Der ehemalige Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Volker Neumann (SPD) erwartet einige neue Details in der CDU-Spendenaffäre. "Schreiber ist einer, der immer etwas in der Rückhand hat", sagte Neumann dem Tagesspiegel zufolge. In erster Linie sei die Auslieferung "historisch interessant", aber falls es zu einem Verfahren gegen Schreiber komme, "könnten auch die eine oder andere Partei und die eine oder andere Person Schaden nehmen", sagte Neumann.

Wie Ströbele glaubt auch Neumann, dasss Schäuble erneut in Bedrängnis kommen könnte: "Die 100.000-Euro-Spende an ihn ist der brisanteste Fall", sagte Neumann. Da könne es eventuell Neuigkeiten geben.

Aber auch die Frage, inwiefern die FDP und der frühere Bundeswirtschaftsminister und NRW-Landesvorsitzende Jürgen Möllemann in die Affäre verstrickt seien, werde interessant sein. "Da könnte Schreiber einige neue Details liefern, weil er dazu noch nie befragt wurde", sagte Neumann. Außerdem könne er da recht frei reden, weil der Fall vermutlich verjährt sei.

Neumann erwartet zunächst die Versuche der Verteidigung, einen Deal mit der Staatsanwaltschaft hinzubekommen. "Man wird wohl jetzt versuchen, die Anklage gegen Schreiber auf einige Punkte zu beschränken, was rechtlich zulässig ist", wurde er zitiert. "Nur wird man dann in der gesamten Affäre nichts Neues erfahren, und das wäre schon etwas merkwürdig."

SPD-Chef Franz Müntefering zeigte sich nach der Auslieferung betont gelassen. "Dass wir einen Bewohner mehr haben in Deutschland, macht bei uns hier keine Unruhe", sagte SPD-Chef Franz Müntefering nach einer Präsidiumssitzung der Sozialdemokraten in Berlin. Müntefering vermutete zugleich: "Das wird möglicherweise die CSU ein bisschen verfolgen." Der SPD-Chef fügt mit Blick auf die damalige CDU-Spendenaffäre hinzu: "Wir müssen da nichts machen. Stinken tut es nicht bei uns, sondern bei den anderen." Den Leuten müsse nur klarwerden, "woher der Duft kommt".

CSU-Chef Horst Seehofer fürchtet nach eigenen Angaben keine negativen Auswirkungen der Auslieferung des früheren Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber auf den Bundestagswahlkampf der Union. Er sehe das "gelassen", sagte der bayerische Ministerpräsident.

Schreiber, der als Schlüsselfigur der CDU-Parteispendenaffäre gilt, war zuvor nach jahrelangem juristischem Tauziehen von Kanada nach Deutschland ausgeliefert worden.

Seehofer betonte, dies sei eine "Angelegenheit der unabhängigen Justiz". "Die hat ihre Arbeit zu machen, ohne politische Begleitung." Er könne garantieren, dass das gewährleistet sei.

Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) begrüßte mit den Worten: "Es ist ein Erfolg für den Rechtsstaat, dass dieses rund zehn Jahre lang dauernde Gezerre nun endlich ein konstruktives Ende gefunden hat". Merk zeigte sich überzeugt davon, dass das rechtsstaatliche Verfahren "nun zügig zu einem Ergebnis geführt wird".

Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums wies den Vorwurf von Schreiber zurück, Ressortchefin Brigitte Zypries (SPD) habe aus parteitaktischen Gründen dessen Auslieferung im Bundestagswahlkampf forciert. Es sei zwar richtig, dass sich die Ministerin am vergangenen Donnerstag an ihren kanadischen Amtskollegen gewandt habe, um einen zügigen Abschluss des Auslieferungsverfahrens zu erreichen.

Der Anlass sei aber gewesen, dass sich Schreiber bis zum 31. Juli in Kanada zur Verfügung habe halten müssen. Nach Ablauf dieses Termins habe Zypries die Auslieferung noch einmal angemahnt. Sie habe zudem den Fall Schreiber mehrfach gegenüber den kanadischen Stellen thematisiert.

© AFP/AP/ddp-bay/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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