Reaktionen:Große Sorgen, kurze Sätze

In Berlin und Brüssel wächst die Unruhe über die EU-Feinde in Frankreich. Die aber trotzdem kaum einer deutlich kritisieren will- aus Angst, den Radikalen dadurch mehr zu helfen als zu schaden.

Von Daniel Brössler und Robert Roßmann

Es ist dieselbe Prozedur wie jedes Mal. Wenn irgendwo in Europa gewählt worden ist und das Resultat Fragen aufwirft, dann werden sie im Presseraum der EU-Kommission in Brüssel gestellt. Die Antworten fallen regelmäßig nichtssagend aus, weil die Kommission sich nicht in innenpolitische Händel verwickeln lassen will und darf. "Sie wissen gut, dass wir Regionalwahlen nicht kommentieren", sagt also, ganz der Routine folgend, der Sprecher von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zum Erfolg des Front National in Frankreich. Interessant ist dann aber der Nachsatz. Man rede hier doch auch nur über den ersten Wahlgang. Soll heißen: Da ist noch Hoffnung.

Die Zurückhaltung bei offiziellen Kommentaren steht in umgekehrtem Verhältnis zur Aufmerksamkeit, die der französischen Regionalwahl im europäischen Dorf von Brüssel zuteil wird. Sie bewegt fast jeden, denn sie berührt das europäische Projekt im Innersten. Die Europaabgeordnete und Front-National-Chefin Marine Le Pen hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass sie die Zerstörung der EU anstrebt. Die EU hat mehr schlecht als recht gelernt, mit rechtspopulistischen Regierungen wie der ungarischen zu leben, käme aber Le Pen im Herzen Europas an die Macht, wäre das europäische Projekt vermutlich am Ende. Gerade, weil das so ist, reißt sich das Führungspersonal der EU zusammen. Denn alles, was nach Einmischung aussieht, würde den Rechtsextremen wohl nur weiter behilflich sein.

Die Bundesregierung hält sich mit Kommentaren zurück, denn das könnte schaden

Auch die offizielle Reaktion Deutschlands ist deshalb vergleichsweise vorsichtig. Es sei "guter Brauch, dass die Bundesregierung den Ausgang von Wahlen in unseren europäischen Partnerländern nicht bewertet und kommentiert", sagt Regierungssprecher Steffen Seibert. Und so wolle er es "mit der ersten Runde der französischen Regionalwahlen auch halten". Hinter dieser taktischen Zurückhaltung stecken aber doch gewaltige Sorgen. Die Europäische Union kann nach Ansicht der Bundesregierung nur dann funktionieren, wenn die Achse zwischen Paris und Berlin funktioniert. Eine Rechtsextreme mit Chancen auf den Präsidentensessel in Paris ist deshalb eine gewaltige Gefahr. Wie stark Le Pen schon jetzt Vereinbarungen mit Frankreich erschwert, zeigt seit Monaten die Flüchtlingspolitik. Im Kanzleramt können sie ziemlich bildreich erzählen, wie Präsident François Hollande auf seine Nöte mit Le Pen verweist, wenn es darum geht, die Aufnahme einer größeren Zahl von Flüchtlingen zu verweigern.

Sozialdemokraten, Grüne und Linke sprechen auch deshalb von einem "Alarmsignal", auf das man dringend reagieren müsse. Das Ergebnis in Frankreich zeige, was passiere, "wenn man über Jahrzehnte eine Gesellschaftspolitik verschläft", die aktiv auf die Integration von Zuwanderern abziele, sagt SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi. Sie warnt die Parteien in Deutschland vor jedem Versuch der Annäherung an den FN. Horst Seehofer sieht das nicht ganz so. Der CSU-Chef sagt, "der beste Schutz vor Rechtsradikalen" sei die Lösung der Probleme, die die Bürger haben. Deshalb müsse man sich jetzt "mit höchster Aufmerksamkeit" den beiden Themen widmen, "die die Menschen im Moment am meisten bewegen, nämlich die Sicherheit vor Terroranschlägen und die Begrenzung der Zuwanderung". Wer das nicht tue, betreibe das Geschäft der AfD.

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