Reaktionen auf Vorstoß des Finanzministers:Schäuble-Vorschlag stößt auf heftige Kritik

Flüchtlinge in Passau

Flüchtlinge, die am Bahnhof in Passau auf einen Sonderzug nach Düsseldorf warten.

(Foto: dpa)
  • Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat in einem SZ-Interview vorgeschlagen, eine Benzinsteuer zur Finanzierung der Flüchtlingspolitik einzuführen.
  • Mit dem Geld will Schäuble die EU-Außengrenzen dichter machen.
  • Für seinen Vorschlag erntet der Finanzminister heftige Kritik - von allen Seiten.

Wolfgang Schäubles Vorschlag einer europaweiten Sonderabgabe auf Benzin zur Bewältigung der Flüchtlingskrise stößt sowohl beim Koalitionspartner als auch in der eigenen Partei auf Ablehnung und heftige Kritik.

In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung hatte der Bundesfinanzminister gesagt, wenn die Mittel in den nationalen und dem europäischen Haushalten zur Bewältigung des Flüchtlingsandrangs nicht ausreichten, seien zusätzliche Einnahmequellen nötig: "Dann lass uns zum Beispiel vereinbaren, dass wir eine Abgabe auf jeden Liter Benzin in einer bestimmten Höhe erheben." Die Sicherung der EU-Außengrenzen dürfe nicht an Fragen der Finanzierung scheitern. Durch die Benzinbesteuerung "hätten wir die Mittel zur europäischen Bewältigung der Flüchtlingsfrage", so Schäuble.

CDU-Vizechefin Klöckner hat mit Schäuble und Merkel telefoniert

Der Vorstoß des Bundesfinanzministers ist nach Angaben der Parteispitze aber bereits wieder vom Tisch. "Eine zusätzliche Benzinsteuer wird es in Deutschland nicht geben", sagte CDU-Vize Julia Klöckner am Samstag nach Telefonaten mit Schäuble sowie Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel. Das habe sie mit beiden besprochen. "An Solidarität der Bürgerinnen und Bürger bei der Finanzierung drängender Aufgaben in der Flüchtlingskrise mangelt es nun wirklich nicht."

Zuvor hatte Klöckner gesagt: "Es ist nicht vertretbar, dass deutsche Pendler, die auf ihr Auto angewiesen sind, nun die Zeche zahlen sollen."

Der Vize des Arbeitnehmerflügels CDA, Christian Bäumler, bezeichnete Schäubles Vorstoß als "Provokation" und warf dem Minister im Handelsblatt sogar "indirekte Stimmungsmache gegen Flüchtlinge" vor.

"Völlig unverständlich"

CSU-Politiker Hans Michelbach sagte: "Die Sondersteuer-Idee ist angesichts eines Überschusses von zwölf Milliarden Euro im vergangenen Jahr außerdem völlig unverständlich." Von einer "Steuer" hatte Schäuble allerdings nicht explizit gesprochen. Michelbach erklärte weiter: "Zur Bewältigung der Flüchtlingskrise braucht Deutschland nicht noch höhere Steuern, sondern eine Begrenzung der Zuwanderung."

"So eine Abgabe würde in erster Linie Klein- und Durchschnittsverdiener belasten", sagte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley. Schäuble sei stattdessen gefordert, die Finanztransaktionssteuer durchzusetzen, "damit auch Spekulanten einen Beitrag leisten".

"Wir Sozialdemokraten wollen die Gesellschaft zusammenhalten statt sie mit einer neuen Flüchtlingsmaut à la Schäuble zu spalten", sagte SPD-Vizechef Ralf Stegner.

SPD-Generalsekretärin Barley warf Schäuble vor, er betreibe ein gefährliches Spiel. "Wir dürfen niemanden gegeneinander ausspielen", sagte Barley, "Es bedarf jetzt Investitionen in Wohnungsbau, Bildung und Kinderbetreuung. Dafür gibt es auch die nötigen Spielräume."

Selbst aus Sicht der Grünen - einer höheren Besteuerung von Benzin und Diesel früher nicht abgeneigt - ist Schäubles Vorschlag "ein Schuss in den Ofen". Seine Umsetzung würde "den gesellschaftlichen Zusammenhalt" gefährden, warnt die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt.

Wagenknecht: "Statt Reiche sollen Autofahrer für Flüchtlinge zahlen"

Angesichts der guten Haushaltslage des Bundes gebe es für eine Steuererhöhung nicht den geringsten Anlass. Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht twitterte: "Schäuble dreht durch: Statt Reiche sollen Autofahrer für Flüchtlinge zahlen. Besser kann man pol Klima nicht vergiften."

Der ADAC erklärte: "Nur weil der Sprit momentan günstig ist, ist das noch kein Grund hier an der Preisschraube zu drehen." Es sei auch keine Lösung wieder einmal nur die Autofahrer zur Kasse zu bitten. Der Automobilclub von Deutschland (AvD) forderte von der Bundesregierung eine stringent geplante Finanzierung der Flüchtlingspolitik, bevor über eine neue Zwangsabgabe diskutiert werde.

2015 waren Benzin und Diesel so günstig wie seit Jahren nicht, die Ölpreise sind weiter im Fall. Allerdings sinkt der Tankstellenpreis nicht so schnell wie der Ölpreis, weil auf den Kraftstoffpreisen stets die Mineralöl- und Mehrwertsteuer lastet. Nach Angaben des Mineralölwirtschaftsverbandes machte die Steuer im vergangenen Jahr durchschnittlich 87 Cent je Liter bei Benzin und 65 Cent bei Diesel aus.

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