Reaktionen auf Standortschließungen bei Bundeswehr:"Katastrophaler Einschnitt"

Die Verkleinerung der Bundeswehr hat für einige Länder und Kommunen massive Folgen: Allein in Bayern fallen fast 20.000 Stellen weg. Kommunalpolitiker sind entsetzt, mehrere bayerische Städte richten einen Appell an den Bund. Erfreut über de Maizières Reformpläne zeigen sich hingegen Bundesminister aus Nordrhein-Westfalen.

Monatelang bangten Bürgermeister und Ministerpräsidenten um ihre Bundeswehrstandorte, jetzt herrscht Klarheit. Mehr als 120 der bundesweit 400 Standorte werden geschlossen oder drastisch verkleinert. Schleswig-Holstein trifft es am härtesten. Dort fallen acht Standorte weg, die Zahl der Dienstposten pro 1000 Einwohner verringert sich von 9,2 auf 5,4. 31 Standorte werden komplett geschlossen, davon sechs große mit mehr als 1000 Dienstposten. Das Konzept von Verteidigungsminister Thomas de Maizière wurde am Mittwoch vom Kabinett gebilligt.

Massiv betroffen von den Einschnitten ist auch Bayern: Fast 20.000 der 50.700 Dienstposten sollen wegfallen. Drei Standorte - Fürstenfeldbruck, Penzing und Kaufbeuren - werden komplett geschlossen, in Kempten bleiben nur sechs Stellen übrig. Andere Standorte werden massiv zusammengestrichen, etwa Donauwörth, Erding und Roth. Damit wird es im Freistaat künftig nur noch 31.000 Dienstposten geben. Die Zahl der Stellen pro 1000 Einwohner geht im Zuge der Reform von bislang 4,1 auf künftig nur noch 2,5 zurück.

Der Oberbürgermeister von Kaufbeuren, Stefan Bosse (CSU), reagiert entsetzt auf die angekündigte Schließung des Bundeswehrstandorts in der Stadt. "Das ist ein katastrophaler Einschnitt für unsere Stadt und die gesamte Region", sagte er. "Wir sind schon strukturschwach und verlieren jetzt auch noch den mit Abstand größten Arbeitgeber. Ich sehe nicht, wie wir das kompensieren können." Bisher hingen an der Bundeswehr 1100 feste Arbeitsplätze, hinzu kämen etwa 600 Lehrgangsteilnehmer. "Uns trifft es doppelt", klagte der Rathauschef.

Eine ablehnende Reaktion kam auch aus Penzing: "Wir wollen unseren Fliegerhorst nicht verlieren", sagte Bürgermeister Johannes Erhard. Die Kaserne sei mit ihren knapp 2500 Beschäftigten der größte Arbeitgeber im gesamten Landkreis, erläuterte der parteilose Rathauschef. In Penzing ist neben der Flugabwehrraketengruppe 22 das Lufttransportgeschwader (LTG) 61 stationiert, das als Drehscheibe des Südens für Hilfsflüge in alle Welt gilt. Von dort starten und landen die schweren Transall-Transportmaschinen sowie Hubschrauber-Rettungsflüge etwa bei Unfällen in den Alpen.

Erleichtert zeigte sich hingegen der Bürgermeister des Bundeswehrstandorts Roth, Ralph Edelhäußer: "Ich bin heilfroh, dass der Bundeswehrstandort erhalten werden konnte in einer gemeinsamen Aktion des Militärs, der politischen Führung und der Bevölkerung", sagte der CSU-Politiker. Dass das mittelfränkische Roth mit seinen knapp 25.000 Einwohnern trotz der Reform als Garnisonsstadt bestehen bleibe, lasse ihm einen Stein vom Herzen fallen. "Das andere wäre der Super-GAU gewesen."

Die bayerischen Städte richteten einen Appell an den Bund, nach der Schließung der Kasernen die Kommunen nicht in Stich zu lassen: "Die Kommunen brauchen eine planerische und finanzielle Unterstützung, damit sie die ehemaligen Bundeswehrstandorte mit neuem Leben erfüllen können", sagte der Vorsitzende des Bayerischen Städtetages, Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD).

Er forderte den Bund auf, die Programme für die Umwandlung der Kasernen zu zahlen. Der Bund müsse die Flächen zu einem maßvollen Preis an Kommunen, aber auch an private Investoren verkaufen. "Wir erwarten auch eine Garantie der Freiheit von Altlasten", ergänzte Maly. Diesen Forderungen schloss sich der Deutsche Landkreistag an: Der Bund dürfe die betroffenen Kommunen nicht alleinlassen und müsse die Anpassung mit Fördermittel abfedern.

Unterstützung für diese Pläne kommt aus der CSU: Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, sprach sich für eine breite Unterstützung der betroffenen Gemeinden aus. Allerdings reiche es nicht aus, dafür nur auf Förderprogramme des Bundes zurückzugreifen. "Wenn die Kommunen mit ihrer Ortskenntnis, die Länder mit ihren Möglichkeiten zur Wirtschaftsförderung und der Bund mit der Erfahrung bei der Umwandlung von Kasernen zusammenstehen, wird die Neuausrichtung der Bundeswehr zu einer Chance für alle betroffenen Städte und Gemeinden", betonte Hasselfeldt

Verteidigungsminister de Maizière lehnte ein Hilfsprogramm des Bundes für betroffene Kommunen dagegen ab. Dafür sei in seinem Haushalt kein Geld vorgesehen, sagte der CDU-Politiker. "Ich habe keine Mittel dafür", stellte er fest. Der Minister räumte ein, dass die Entscheidungen im Einzelfall "bitter" seien. Teilweise würden lange Traditionslinien der Truppe gekappt, und Kommunen stünden nun vor wirtschaftlichen Härten. Die Bundeswehr sei aber nicht um ihrer Standorte willen da, sondern müsse ihren Auftrag "gut und sparsam" erfüllen.

Bürgermeister in Schleswig-Holstein "schockiert"

SPD-Landeschef Florian Pronold wertete die geplanten Schließungen und Verkleinerungen von Bundeswehrstandorten als "schweren Schlag für Bayern". Der Freistaat leide am meisten unter der Entscheidung der schwarz-gelben Bundesregierung, erklärte Pronold - und griff zugleich Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) scharf an. Es sei ein "kapitaler Fehler" Seehofers gewesen, nach dem Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) das Verteidigungsministerium aufzugeben: "Damit trägt Seehofer Verantwortung für die Folgen." Pronold forderte, den betroffenen Kommunen in Bayern müsse jetzt geholfen werden.

Am härtesten treffen die Schließungen allerdings nicht Bayern, sondern den Norden: In Schleswig-Holstein fallen acht Standorte weg, die Zahl der Dienstposten pro 1000 Einwohner verringert sich von 9,2 auf 5,4. Kiel büßt fast 11.000 von bisher 26.000 militärischen und zivilen Dienstposten ein. Die Standortschließungen im Einzelnen finden Sie hier.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen bezeichnete die Einschnitte als "schmerzhaft": "Wir mussten damit rechnen, dass Schleswig-Holstein durch die Reform der Bundeswehr hart getroffen wird, zumal unser Land bisher die höchste Stationierungsdichte hatte", erklärte der CDU-Politiker. Das Land stehe vor tiefgreifenden Veränderungen. Die Folgen müssten jetzt gemeinsam mit dem Bund und den Kommunen gestaltet werden. Ausgleichsmaßnahmen vom Bund forderte auch Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU).

Betroffen von den Schließungen in Schleswig-Holstein ist das Marine-Flottenkommando in Glücksburg. Der dortige Bürgermeister John Witt zeigte sich schockiert: "Das haben wir nie und nimmer erwartet, das ist schon sehr krass", sagte er der Nachrichtenagentur dapd. Der 54-jährige parteilose Politiker kritisierte zudem, es "wäre guter Stil gewesen, dass wir es zuerst wissen". Stattdessen habe er die Entscheidung über die Schließung aus dem Internet erfahren. Von Bund und Ländern erwartet Witt nun "ein gewisses Entgegenkommen", was die Liegenschaft und mögliche Fördermittel angeht.

Als "vertretbar" für sein Land bezeichnete der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) die Reformpläne. In Rheinland-Pfalz sind fünf Standorte von der Schließung betroffen: Bad Neuenahr-Ahrweiler, Birkenfeld, Emmerzhausen, Kusel und Speyer. Allerdings erwarteten die Länder vom Bund jetzt finanzielle Unterstützung bei der Umstrukturierung, so Beck. Diese müsse eine "dreistellige Millionenhöhe" haben.

Zufrieden mit De Maizières Reformplänen zeigte sich Sachsen Ministerpräsident Stanislaw Tillich: "Alle wichtigen sächsischen Bundeswehrstandorte werden erhalten. Das ist eine gute Nachricht für unseren Freistaat", sagte der CDU-Politiker. Nach Reformplänen soll in Sachsen ein Standort geschlossen und die Zahl der Stellen von 4.500 auf 3.600 reduziert werden.

Vergleichsweise glimpflich kommt auch Nordrhein-Westfalen davon: Im Zuge der Bundeswehrreform werden zwei Standorte geschlossen. Betroffen sind Kerpen mit 720 Dienstposten und Königswinter mit 70 Dienstposten. Zudem begrüßten die aus Nordrhein-Westfalen stammenden Bundesminister die Entscheidung von De Maizière, die Reform der Bundeswehr "nicht mit der Bonn-Berlin-Frage zu vermengen". Die geplante Verlagerung größerer Teile des Ministeriums in die Hauptstadt sei damit "zurückgestellt", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Außenminister Guido Westerwelle, Gesundheitsminister Daniel Bahr (beide FDP) und Umweltminister Norbert Röttgen (CDU): "Dies ist ein positives Zeichen für unsere Region und eine gute Grundlage für weitere Gespräche."

De Maizière hatte entschieden, dass Bonn erster Dienstsitz seines Ministeriums bleibt. Allerdings sollen so viele Mitarbeiter wie möglich an die Spree wechseln. Als Ausgleich sollen zusätzliche Bundeswehrposten auf die Bonner Hardthöhe verlagert werden, so dass dort keine Arbeitsplätze verloren gehen. Das Ministerium hat derzeit gut 3000 Beschäftigte, davon rund 500 in Berlin. Die Zahl soll auf 2000 reduziert werden.

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