Reaktionen auf Obamas Rede:3,5 von 12 Punkten auf der NSA-Reformskala

Member of protest group, Code Pink, Cayman Macdonald  protests against U.S. President Obama and NSA before his arrival at Department of Justice in Washington

Mitglieder der Bürgerrechtsgruppe Code Pink protestieren gegen Barack Obama und den US-Überwachungsapparat.

(Foto: Reuters)

Manche fürchten, in die Zeit vor dem 11. September 2001 zurückversetzt zu werden. Andere warnen vor einer Welt voller Misstrauen. Obamas Rede zum NSA-Skandal bringt dem Präsidenten nur wenig Lob ein, dafür aber viel Kritik vor allem von Bürgerrechtlern. Ein Überblick.

Von Pascal Paukner, San Francisco

Barack Obama hatte seine Rede zu den Konsequenzen aus der NSA-Affäre gerade erst beendet, da war der Kampf um die Deutungshoheit bereits in vollem Gange: Sind die Korrekturen, die der amerikanische Präsident angekündigt hatte, ein Sieg für Bürgerrechtler, Internet-Aktivisten und den ehemaligen NSA-Mitarbeiter Edward Snowden? Oder zeigt die Rede doch nur, dass der Präsident und sein Geheimdienst am längeren Hebel sitzen? Die Reaktionen im Überblick.

Demokratische Partei

Auch im eigenen Lager hat Barack Obama einige Zweifler an seinem Kurs in der Geheimdienstpolitik, doch deren Kritik hielt sich in Grenzen. Zwar habe der Präsident wesentliche Änderungen vorgegeben, diese reichten aber noch nicht aus, meinte der demokratische Senator Patrick Leahy. Deshalb werde er weiter daran arbeiten, die Gesetzgebung entsprechend zu beeinflussen. Ähnlich äußerten sich auch seine Senatoren- und Parteikollegen Tom Udall und Richard Blumenthal. Blumenthal sagte dem britischen Telegraph, er sei noch nicht komplett zufrieden und wolle darauf hinarbeiten, dass der geplante Bürgervertreter am Geheimgericht FISA ein "robuster Vollzeitvertreter der Privatsphäre" werde.

Republikanische Partei

Überraschend handzahm gab sich der Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner. Er warnte Obama allerdings davor, die Reform zu weit zu treiben. "Das Repräsentantenhaus wird jeden Regierungsvorschlag für eine Gesetzesänderung durchsehen", sagte Boehner. Wenn es aber darum gehe, Programme zu unterlaufen, welche zur Sicherheit Amerikas beigetragen hätten, dann werde man dies verhindern.

Doch auch bei den Republikanern gibt es scharfe Gegner staatlicher Überwachung. Einer ihrer Meinungsführer ist der Senator von Kentucky, Rand Paul. "Präsident Obamas angekündigte Lösung zur Kontroverse um die NSA-Spionage ist dasselbe verfassungswidrige Programm mit neuen Einstellungen", sagte Paul. Das amerikanische Volk solle nicht erwarten, dass "der Fuchs den Hühnerstall" beschütze, sagte er im Hinblick auf die Ankündigung des Präsidenten, einen neuen Posten zur Geheimdienstkontrolle zu schaffen.

Sicherheitsapparat

Die größte Anerkennung für seine Rede schlug Barack Obama aus dem Umfeld der Sicherheitsbehörden und -politiker entgegen: Der Direktor der nationalen Nachrichtendienste James Clapper sagte, Obama habe einen "bedächtigen und gut durchdachten Ansatz" zur Geheimdienstreform gewählt. Volle Unterstützung signalisierte auch Verteidigungsminister Chuck Hagel.

Die Vorsitzenden der Geheimdienstausschüsse von Senat und Repräsentantenhaus Dianne Feinstein und Mike Rogers äußerten sich in einer gemeinsamen Stellungnahme ebenfalls zufrieden: "Wir stimmen zu und freuen uns auf die Zusammenarbeit mit dem Präsidenten, um die Zufriedenheit mit diesen Programmen zu erhöhen", schrieben die beiden Politiker.

Bürgerrechtler und Internetaktivisten

Die schärfste Kritik an der Rede des Präsidenten kam aus London. Es sei "beschämend", sagte Wikileaks-Gründer Julian Assange im Interview mit dem Fernsehsender CNN, ein Staatsoberhaupt so lange sprechen, aber beinahe nichts sagen zu hören.

Etwas milder in ihrem Urteil äußerte sich hingegen überraschend die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU). "Die Rede des Präsidenten skizzierte einige Entwicklungen, die wir willkommen heißen", sagte Anthony D. Romero, der Vorsitzende der Organisation, etwa im Hinblick auf die Reformen beim Geheimgericht FISC. "Höchst problematisch" sei es hingegen, dass der Präsident der massenhaften Speicherung von Telefondaten kein Ende gesetzt habe.

Das ist eine Einschätzung, die auch eine andere wichtige amerikanische Bürgerrechtsorganisation teilt: Die Electronic Frontier Foundation (EFF) bewertet die NSA-Reform auf einer Skala von 0 bis 12 mit 3,5 Punkten. Beim Thema "Beenden der Massenüberwachung von digitaler Kommunikation" gab es nur 0,2 Punkte. Vor allem hier hatten sich die Aktivisten mehr Zugeständnisse erhofft.

IT-Branche

Der Unmut unter den großen amerikanischen Internetkonzernen ist groß. Seit Beginn der Enthüllungen werden sie ihrer Meinung nach zu Unrecht in Geiselhaft für Überwachungsaktivitäten genommen, die sie nicht gewollt und allenfalls hingenommen haben. Entsprechend groß war der Druck aus dem Silicon Valley, die Überwachung nun einzuschränken. Nun dürften viele in der Industrie enttäuscht sein, doch äußern wollten sich die Konzerne nach der Rede zunächst nicht.

Allein Alex Fowler, der bei der Mozilla Foundation für das Thema Privatsphäre zuständig ist, veröffentlichte im Namen des Firefox-Entwicklers eine Stellungnahme. Darin heißt es: "Wir haben auf mehr gehofft und das Internet verdient auch mehr. Wenn es keine bedeutende Kursänderung gibt, wird das Internet seinen Weg hin zu einer Welt, in der Balkanisierung und Misstrauen vorherrschen, gehen." Mozilla hatte sich schon früher politisch für ein freies und offenes Internet engagiert.

Liberale Medien

Der Huffington Post reichte wie so oft ein einziges Wort, um die Lage zu erklären. "Rehabilitiert", stand stundenlang auf der Startseite des liberalen Debattenmagazins. Darunter hatten die Redakteure das Bild von Edward Snowden gesetzt. Für den ehemaligen NSA-Mitarbeiter komme die Rede einer Rehabilitation gleich, schrieb die Huffington Post. Denn seine Enthüllungen hätten dazu geführt, dass Obama nun schrittweise Reformen einführt.

Die linksintellektuelle New York Times zeigte sich enttäuscht von Obama. Anstatt die zur Debatte stehenden Geheimdienst-Programme auszurangieren, habe er gehofft, die Öffentlichkeit davon überzeugen zu können, dass sie angemessen betrieben werden.

"Note 4", so lautete das Gesamturteil des liberalen Technikblogs The Verge. Drei Redakteure hatten die einzelnen Reformvorhaben des Präsidenten beurteilt. Am Ende reichte es gerade so für das Weiterkommen. Was den Fachjournalisten besonders missfiel: Der Präsident hatte das Thema Verschlüsslung in seiner Rede einfach ignoriert. Dabei hatte die von Obama eingesetzte Expertenkommission dem Präsidenten empfohlen, das Unterlaufen der Techniken zu stoppen.

Konservative Medien

Es war der Tag von Michael Hayden. Sowohl beim berüchtigten Fernsehsender Fox News als auch bei der konservativen Online-Zeitung Newsmax durfte der frühere NSA-Direkor sich in markigen Worten zur Obama-Rede äußern. "Es fühlt sich zunehmend so an als würden wir unser Geschäft nun wieder erledigen, wie wir es vor dem 11. September gemacht haben", sagte Hayden. Hayden war in der Debatte um die NSA schon früher als Befürworter eines starken Überwachungsapparats aufgetreten.

Auch sonst schlugen sich die konservativen Meinungsmacher eher auf die Seite der Überwachungsbefürworter. Allerdings verdrängten Waldbrände in Kalifornien das Thema bei diesen Medien bald von der Tagesordnung.

Deutsche Politik

Die Bundesregierung bewertet die Rede von US-Präsident Barack Obama positiv. Regierungssprecher Steffen Seibert lobte, dass Datenschutz und Persönlichkeitsrechte auch von Nicht-US-Bürgern künftig stärker geachtet werden sollten. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärte, Obama habe einen Prozess skizziert, in den auch Kongress und Öffentlichkeit einbezogen werden sollten.

Justizminister Heiko Maas (SPD) sagte der Bild am Sonntag, der US-Präsident habe mit seiner Ankündigung zur Begrenzung der Programme des Geheimdienstes NSA "erste Schritte gemacht". Allerdings könne verlorenes Vertrauen erst zurückgewonnen werden, "wenn wir ein rechtlich verbindliches Abkommen unterzeichnet haben, das die Daten aller Bürger schützt". Bei dem Bemühen um ein No-Spy-Abkommen dürfe "nichts unversucht" bleiben.

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