Reaktionen auf Obamas Grundsatzrede:Ägypter reserviert, Israelis enttäuscht

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Kühl bis negativ nehmen viele Araber US-Präsident Obamas Rede zu den Umwälzungen in der arabischen Welt auf. Israels Premier Netanjahu ärgern Obamas Äußerungen zum Nahostkonflikt - Zustimmung kommt aus Berlin.

Die Grundsatzrede von US-Präsident Barack Obama zu den Umbrüchen in der arabischen Welt und dem Nahostkonflikt rief gemischte Reaktionen hervor.

Barack Obama während seiner Rede im US-Außenministerium. (Foto: dpa)

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu äußerte sich kurz vor seinem Treffen mit US-Präsident Barack Obama im Weißen Haus an diesem Freitag enttäuscht. Netanjahu sagte, die Gründung eines Palästinenserstaates dürfe nicht auf Kosten der Existenz Israels erfolgen. Der Regierungschef erinnerte Obama in diesem Zusammenhang an eine Zusage der US-Regierung aus dem Jahr 2004, nach der von Israel kein Rückzug auf die Grenzen von 1967 erwartet werde. Diese Grenzen seien nicht zu verteidigen.

Obama hatte sich in seiner Ansprache erstmals öffentlich für einen israelischen Rückzug auf die Grenzen von 1967 eingesetzt und damit die palästinensische Position unterstützt. Zugleich sprach sich Obama für einen Gebietsaustausch in beiderseitigem Einvernehmen aus. Dies würde die Möglichkeit eröffnen, dass Veränderungen seit der israelischen Besetzung des Westjordanlands im Zuge des Sechs-Tage-Kriegs berücksichtigt werden.

Netanjahu bemängelte auch, dass Obama in seiner Rede nicht weiter auf das palästinensische Flüchtlingsproblem eingegangen war. Ohne eine Lösung dieses Problems außerhalb der Grenzen Israels könnten territoriale Zugeständnisse den Konflikt nicht beenden, hieß es in der Erklärung des Ministerpräsidenten weiter. Darüber hinaus sollten die Palästinenser Israel als Heimstätte des jüdischen Volkes anerkennen.

Obama hatte an die Adresse Israels und der Palästinenser gewandt gesagt, dass ein andauernder Frieden nun wichtiger sei als jemals zuvor. Er machte deutlich, dass die USA weiter für eine Zwei-Staaten-Lösung plädierten, mit einem in sicheren Grenzen lebenden Israel und einem existenzfähigen Palästina.

Die Palästinenserführung berief unmittelbar nach Obamas Grundsatzrede eine Dringlichkeitssitzung ihrer Führungsgremien ein. Darüber hinaus wolle sich Präsident Machmud Abbas mit den arabischen Führern konsultieren, sagte der Chefunterhändler Saeb Erekat in Ramallah. Obama hatte die Palästinenser in seiner Rede aufgefordert, einseitige Schritte zu unterlassen. "Symbolische Aktionen, um Israel im September in den Vereinten Nationen zu isolieren, werden keinen unabhängigen Staat schaffen", sagte Obama. Die Palästinenserführung will bislang im September die UN-Generalversammlung bitten, einen unabhängigen Palästinenserstaat in den Grenzen von 1967 mit einer Hauptstadt in Ostjerusalem anzuerkennen.

Die im Gaza-Streifen herrschende radikalislamische Hamas hat sich unterdessen von US-Präsident Barack Obama Lektionen in Demokratie verbeten. Darüber hinaus stellte Hamas-Sprecher Sami Abu Suhri in Gaza klar, dass seine Organisation unter keinen Umständen Israel anerkennen werde. Der Hamas-Führer warf Obama vor, dass dessen Äußerungen über einen palästinensischen Staat nur eine Wiederholung früherer Slogans und damit bedeutungslos seien. "Obama hat nicht einmal die israelische Besatzung verurteilt", sagte Abu Suhri.

"Eine enttäuschende Rede"

In Ägypten, wo das Volk den Langzeit-Potentaten Hosni Mubarak verjagte, was Obama in seiner Rede pries, wurde die Ansprache ebenfalls kühl bis negativ aufgenommen.

Kritisiert wurde sie vor allem wegen ihrer als inkonsistent empfundenen Stoßrichtung in Hinblick auf die verschiedenen Regime der Region. "Eine enttäuschende Rede", zitierte der Nachrichtensender al-Dschasira auf seiner Webseite Essam al-Erian, einen Führer der fundamentalistischen Muslimbruderschaft.

"Amerikas schützende Hand für diktatorische Präsidenten in Syrien, im Jemen und in Bahrain bleibt, wo sie ist", so al-Erian. Außerdem habe die Ansprache "keine deutliche Entscheidung beinhaltet, sich unverzüglich aus dem Irak oder Afghanistan zurückzuziehen". Die Muslimbruderschaft gilt nach dem Sturz von Präsident Hosni Mubarak in diesem Februar als bestorganisierte politische Kraft in Ägypten.

Aber auch im liberalen Lager schlugen Obama reservierte Reaktionen entgegen. Der Journalist Issander al-Amrani schrieb in seinem vielbeachteten Blog The Arabist: "Der Teil über Israel/Palästina war, wie vorherzusehen war, schrecklich." Al-Amrani kritisierte, dass Obama den Palästinensern gerade jene gewaltfreien Methoden bei ihrem Streben nach einem eigenen Staat abspreche, die er bei den arabischen Revolutionen in Ägypten und Tunesien ausdrücklich lobte.

Dass Obama sich nicht dazu durchrang, das Scheitern des Nahost-Friedensprozesses einzugestehen, zeige, in welcher Klemme sich die USA befänden: "in einem Friedensprozess festzustecken, der nirgendwohin führt". Mit all ihren Inkonsistenzen habe die Rede offenbart, dass "wir das Interregnum erreicht haben zwischen dem amerikanischen Moment im Nahen Osten (1956-2011) und dem, was als Nächstes kommt, was auch immer es sein wird.

Syrien reagierte verhalten auf die Verhängung von Sanktionen gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad durch die USA. Offizielle Vertreter des Regimes äußerten sich zunächst nicht. Die vom Regime kontrollierte Tageszeitung Al-Watan stellte die Maßnahme am Donnerstag als "Strafe" Washingtons für die Unterstützung dar, die Damaskus den "Widerstandsbewegungen" Hamas in den palästinensischen Gebieten und Hisbollah im Libanon gewährt sowie für das enge Verhältnis, das Syrien zum Iran pflegt. Auf die blutige Unterdrückung der syrischen Protestbewegung, die Washington zu den Sanktionen veranlasst hatte, ging das Blatt nicht ein.

Zustimmung für Obama kam aus Amman: Jordanien begrüßte Obamas Nahost-Rede. Außenminister Nasser Judeh sagte, die Erklärung Obamas über die Schaffung eines unabhängigen Palästinenserstaat in den Grenzen von 1967 sei von höchster Wichtigkeit. "Es ist das erste Mal, dass ein amerikanischer Präsident eindeutig die US-Vision eines Palästinerserstaates in den Grenzen vom 4. Juni 1967 (vor Beginn des Sechstagekriegs) darlegt", sagte Judeh.

Tony Blair, früher britischer Premier und heute Nahost-Vermittler, nannte es im Gespräch mit CNN "wesentlich", den Palästinensern zu versichern, dass ihr künftiger Staat territorial "lebensfähig" sei. Auf der anderen Seite betonte Blair das Recht Israels, sich selbst zu verteidigen.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel lobte den Vorstoß Obamas für eine Nahost-Friedenslösung in den Grenzen von 1967. Sie unterstütze Obamas Einschätzung, wonach zwischen Israelis und Palästinensern zunächst über Sicherheit und Grenzen gesprochen werden sollte, sagte Merkel am Freitag in Berlin. "Ich glaube, dass der Vorschlag, die 67er Grenzen zu nehmen und Gebietsaustausche ins Auge zu fassen ... ein guter gangbarer Weg wäre, den beide Seiten erwägen sollten", fügte sie hinzu.

Wie Obama lehnte Merkel einseitige Maßnahmen "egal von welcher Seite" ab. "Weder der Siedlungsbau, noch eine einseitige Anerkennung eines Palästinensischen Staates bringen den Nahost-Friedensprozess wirklich voran", unterstrich die Kanzlerin. Zum Erreichen einer Zweistaaten-Lösung mit einem jüdischen Staat Israel und einem palästinensischen Staat bedürfe es "gemeinsamer Dinge".

Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) lobte die Grundsatzrede des US-Präsidenten. Sie sei ein "kraftvolles Signal der Unterstützung für den demokratischen Wandel" in der Region. Obamas Worte gäben all denjenigen Rückenwind, die sich für "mehr Freiheit, Demokratie und Chancen auf persönlichen Wohlstand" in Nordafrika und in der arabischen Welt insgesamt einsetzten, erklärte Westerwelle.

Deutschland und die USA seien sich darin einige, dass die Verbesserung der politischen und wirtschaftlichen Teilhabe in der arabischen Welt eine "historische Chance" sei, so Westerwelle. Damit könne ein neues Kapitel der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kooperation aufgeschlagen werden.

Westerwelle begrüßte auch Obamas Bekenntnis zu einer Zwei-Staaten-Lösung für den Konflikt zwischen Israel und Palästinensern. Deutschland werde "alle Bemühungen unterstützen, die Fortschritte in diese Richtung ermöglichen".

© sueddeutsche.de/AFP/dapd/dpa/juwe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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