Reaktionen auf Hessen-Wahl:Wiesbaden ist nicht Berlin

Die SPD will das Ergebnis der Hessen-Wahl nicht überbewerten. Die CDU freut sich - und wird doch auch von Sorgen über das Erstarken der FDP geplagt.

Einen Tag nach der Landtagswahl in Hessen bewerten Bundespolitiker das Ergebnis unterschiedlich. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sieht trotz der Niederlage in Hessen Chancen für seine Partei bei der Bundestagswahl im September. Die Ursachen für das schlechte Abschneiden lägen in Hessen selbst, das Ergebnis sei absehbar gewesen, sagte Heil im Deutschlandradio Kultur.

Reaktionen auf Hessen-Wahl: SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sieht keinen Anlass zur Sorge: "Die Bundestagswahl wird nicht in Wiesbaden entschieden."

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sieht keinen Anlass zur Sorge: "Die Bundestagswahl wird nicht in Wiesbaden entschieden."

(Foto: Foto: AP)

"Die Bundestagswahl wird nicht in Wiesbaden entschieden", beharrte Heil. Eine Koalition mit der Linkspartei auf Bundesebene schloss Heil erneut aus. "Für mich ist die Linkspartei ein stinknormaler politischer Gegner, mit dem man sich inhaltlich auseinandersetzen muss."

Für das Saarland, wo im August ein neuer Landtag gewählt wird, schloss der SPD-Linke Ottmar Schreiner eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei nicht aus. "Ich bin für Normalisierung statt Hysterisierung", sagte er in der ARD. Die Linkspartei werde im Saarland voraussichtlich deutlich stärker sein als in den übrigen Ländern. "Das hat mit Oskar Lafontaine zu tun", sagte Schreiner. Der Chef der Linkspartei war viele Jahre Ministerpräsident im Saarland, allerdings noch als Sozialdemokrat.

Auch der saarländische SPD-Landeschef Heiko Maas sieht im Abschneiden seiner Partei in Hessen keinen Anlass dafür, eine rot-rote Option in Saarbrücken auszuschließen. Das schlechte Ergebnis der hessischen SPD sei allein die Quittung dafür, dass sie im vergangenen Jahr "nahezu alles falsch gemacht hat, was man falsch machen kann", sagte Maas im Südwestrundfunk. Für die Saar-SPD blieben für die Landtagswahl "zunächst einmal beide Optionen offen" - die eines Regierungsbündnisses mit der Linkspartei ebenso wie eine große Koalition mit der CDU.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit bezeichnete die herbe Niederlage der Hessen-SPD klar als selbst verschuldet. "Dieses Ergebnis hat die SPD selbst zu verantworten", sagte Wowereit am Sonntagabend in der ARD-Talkshow "Anne Will". Die SPD sei in "eine Glaubwürdigkeitskrise geraten", und die Wähler hätten ihr deshalb einen Denkzettel verpasst.

Dadurch habe Ministerpräsident Koch einen "Abstaubersieg" erringen können. Zugleich verteidigte der Berliner Regierungschef die Position der Bundes-SPD, den Landesverbänden freie Hand bei der Koalitionsbildung zu lassen.

"Gegen den Trend zur FDP"

Auf die Frage, warum die Bundespartei nicht die frühere SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Andrea Ypsilanti bei ihrem Kurs gestoppt habe, eine rot-grüne Minderheitsregierung unter Tolerierung der Linken zu bilden, sagte Wowereit: "Das kann sie nicht, jeder Landesverband handelt eigenverantwortlich." Er habe diese Position immer selbst vertreten und halte sie für richtig. Die SPD-Landesverbände könnten nur in ihrem Bereich entscheiden, ob andere Parteien wie auch die Linke von den Inhalten und dem Personal her als verlässliche Bündnispartner geeignet seien.

Die Christdemokraten konnten dem Wahlergebnis vom Sonntag hingegen positivere Aspekte abgewinnen. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla wertete die Wahl in dem Bundesland als Signal für einen Regierungswechsel auf Bundesebene. Die künftigen Mehrheitsverhältnisse im hessischen Landtag seien dafür beispielhaft, sagte Pofalla dem RBB-Inforadio. "Der Abstand von Schwarz-Gelb zu Rot-Grün hat sich ja im Vergleich zu 2008 verachtfacht. Von zwei Prozent Abstand von Schwarz-Gelb zu Rot-Grün ist ein Abstand von fast 16 Prozent geworden", führte er aus.

Der von der CDU eingeschlagene Kurs sei bei der Hessen-Wahl bestätigt worden, sagte Pofalla dem Sender. Seine Partei werde daher "eine klare Koalitionsaussage im Bund zu Gunsten der FDP abgeben, weil wir der festen Überzeugung sind, dass im September dieses Jahres Union und FDP alle Voraussetzungen haben, um eine Mehrheit im Bund zu bekommen".

Das Erstarken des Koalitionspartners löste in der CDU allerdings auch andere Reaktionen aus. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers sagte vor einer Präsidiumssitzung in Berlin, dass das Wahlergebnis auch "ein Signal für die Bundesrepublik" sei.

Liberale wollen "was bewegen"

Der baden-württembergische Regierungschef Günther Oettinger verlangte hingegen, die Union unterscheidbarer von den Liberalen zu machen. "Die CDU sollte alles tun, um die für uns erreichbaren Wähler durch ein klares Programm zu erreichen", sagte Oettinger. "Wir müssen darauf achten, dass der Trend, die FDP zu wählen, um die Union zur Kanzlerpartei zu machen, sich nicht verstärkt."

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch sagte, das Ergebnis führe dazu, dass es wieder stabile Verhältnisse in seinem Bundesland gebe. Er hätte sich sicher ein bis zwei Prozent mehr gewünscht. Er riet allerdings Bundeskanzlerin Angela Merkel, deutlich zu machen, dass die Union mit der FDP für eine bürgerliche Zusammenarbeit in ganz Deutschland stehe.

Nach ihrem überraschenden Wahlerfolg hat die FDP bereits angekündigt, Nachbesserungen am Konjunkturpaket II durchsetzen zu wollen. Unter anderem will sie stärkere Steuerentlastungen als geplant und einen Verzicht auf die geplante Abwrackprämie. Die Liberalen wollten das Paket zwar nicht im Bundesrat blockieren, aber "inhaltlich etwas bewegen", sagte Generalsekretär Dirk Niebel in der ARD.

Er rechne mit Gesprächen bereits im Bundestag. Der FDP-Politiker forderte, die Bürger schneller und deutlicher zu entlasten und gleichzeitig weniger neue Schulden aufzunehmen. Unter anderem solle der steuerliche Grundfreibetrag nicht wie geplant in zwei Schritten angehoben werden, sondern auf einmal. Zunächst aber warte die FDP auf eine schriftliche Vorlage der Bundesregierung für das Gesetzgebungsverfahren.

Auch FDP-Schatzmeister Hermann-Otto Solms sagte der Leipziger Volkszeitung: "Wir wollen nicht blockieren. Wir brauchen aber dringend Verbesserungen." Die FDP hätte keinen Grund, mit einen bestimmten Stimmverhalten im Bundesrat zu drohen. "Konkret bestehen wir aber auf einer stärkeren steuerlichen Entlastung und auf der Zurücknahme der Abwrackprämie für Altautos", sagte Solms. Die FDP hoffe auf Einsicht bei der großen Koalition.

Der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir bekräftigte, dass seine Partei ohne Koalitionsaussage in die Bundestagswahl gehen werde. Es gebe eine größere inhaltliche Nähe zur SPD als zur CDU, sagte Özdemir im Deutschlandradio Kultur. "Daraus folgt nicht zwingend, dass wir mit der SPD koalieren müssen. Inhalte gehen vor Koalitionsoptionen."

Die Abstimmung in Hessen habe zudem gezeigt, dass die Wähler Geschlossenheit erwarteten, sagte der Grünen-Chef. "Die Wählerinnen und Wähler wollen, dass die Parteien sich mit Inhalten beschäftigen. Sie wollen nicht, dass die Parteien sich streiten, so wie das in Hessen bei der Linkspartei und bei der SPD der Fall war." Das habe beiden Parteien geschadet.

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