Reaktionen auf Hessen-Wahl:Merkel glaubt an "bürgerliche Mehrheit"

Am Tag nach der Hessen-Wahl lobt die Kanzlerin den Erfolg des "bürgerlichen Lagers" und warnt die FDP vor Übermut. SPD-Chef Müntefering hält die Schlappe für "reparabel".

Trotz ihres eigenen schwachen Abschneidens in Hessen sieht die Union nun gute Chancen für einen Sieg zusammen mit der FDP bei der Bundestagswahl in acht Monaten. Nach dem Erfolg in Niedersachsen vor zwölf Monaten habe die Neuwahl in Hessen zum Auftakt des Superwahljahres gezeigt, dass "eine bürgerliche Mehrheit trotz eines Fünf-Parteien-Systems möglich ist", sagte CDU-Chefin Angela Merkel.

Reaktionen auf Hessen-Wahl: Am Tag danach präsentierten sich Roland Koch und Angela Merkel in Berlin.

Am Tag danach präsentierten sich Roland Koch und Angela Merkel in Berlin.

(Foto: Foto: dpa)

Die Kanzlerin sprach nach einer Vorstandssitzung zwar mehrfach von einem Erfolg des "bürgerlichen Lagers". Sie will aber nach eigenen Worten keinen Lagerwahlkampf mit der FDP wie vor vier Jahren führen.

Sie warnte die FDP nach ihrem Erfolg bei der Hessen-Wahl vor überzogenen Forderungen an die große Koalition im Bund. Mit der Regierungsbeteiligung in Hessen und den künftigen Einflussmöglichkeiten im Bundesrat übernehme die FDP auch zusätzliche Verantwortung.

"Sie kann die Oppositionsrolle nicht mehr so spielen wie bisher", sagte die CDU-Chefin. Die FDP dürfe mit Nachforderungen zu Korrekturen am Konjunkturpaket der großen Koalition ihre Position "nicht überreizen", sagte Merkel. Dies werde "bei der Bevölkerung nicht gut ankommen".

Warnende Stimmen aus Stuttgart

Zuvor hatte der baden-württembergische CDU-Ministerpräsident Günther Oettinger mehr Distanz zur FDP angemahnt. "Die CDU sollte alles tun, um die für uns erreichbaren Wähler durch ein klares Programm zu erreichen", sagte er vor den Sitzungen der CDU-Führungsgremien. "Wir müssen darauf achten, dass der Trend, die FDP zu wählen, um die Union zur Kanzlerpartei zu machen, sich nicht verstärkt."

Merkel ging in einer Pressekonferenz auf die Wortmeldung Oettingers, die sich mit der Haltung der CSU deckt, nicht direkt ein. Sie sprach lediglich davon, dass die CDU noch "viel Arbeit" zu leisten habe, um im Herbst auf ein gutes Resultat zu kommen.

Müntefering: "Das Ganze ist reparabel"

Das SPD-Debakel bei der Hessen-Wahl wird sich nach Einschätzung von Parteichef Franz Müntefering nicht negativ auf die Chancen der Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl auswirken. Die Gründe für das "ausgesprochen schlechte Ergebnis"' in Hessen seien klar, sagte Müntefering nach einer Sitzung des Parteipräsidiums. "Insofern ist das Ganze auch reparabel."

Die Wähler hätten der SPD einen "Denkzettel" für den Verlauf des Jahres 2008 gegeben. Sie hätten aber nicht komplett ihre politische Überzeugung gewechselt. Er sei daher "fest überzeugt, dass wir bei der Bundestagswahl ganz andere Kräfteverhältnisse als in Hessen wieder sehen werden".

CDU und FDP wollen in Hessen schnell ein neue Regierung bilden

In Hessen haben CDU und FDP indes ihren Willen bekräftigt, schnell eine neue Landesregierung zu bilden. Bereits am Mittwochmittag sollen die ersten Gespräche beginnen. "Wir haben sehr viele Schnittmengen", sagte CDU-Generalsekretär Michael Boddenberg in Wiesbaden. Der stellvertretende FDP-Landesvorsitzende Dieter Posch kündigte Koalitionsgespräche noch in dieser Woche an.

Boddenberg sagte weiter, es gebe zwar den einen oder anderen strittigen Punkt, etwa in der Bildungspolitik. Jedoch seien alle Beteiligten daran interessiert, "schnell zu einer Verabredung zu kommen". Die neue Regierung werde eine "klare bürgerliche Handschrift" tragen.

Posch sagte, er hoffe, "so schnell wie möglich" Ergebnisse zu erzielen. Als liberale Schwerpunkte nannte er die Bildungspolitik und die Infrastrukturpolitik und bekräftigte zugleich den Anspruch seiner Partei auf die Besetzung des Wirtschaftsressorts bekräftigt. "Ich glaube, dass wir im Bereich der Wirtschaftspolitik einiges erreicht haben", sagte Posch.

Posch forderte von Union und SPD, auf Bundesebene in Verhandlungen mit der FDP über das Konjunkturpaket einzutreten. Die Liberalen wollten allerdings das zweite Konjunkturprogramm im Bundesrat nicht blockieren.

Den Spekulationen über die Zukunft des Grünen-Politikers Tarek Al-Wazir über einen möglichen Wechsel in die Bundespolitik hat die Parteivorsitzende Kordula Schulz-Asche ein Ende gesetzt. Al-Wazir werde erneut für den Vorsitz der Fraktion im Wiesbadener Landtag kandidieren, sagte sie.

Schulz-Asche kündigte an, ihre Partei werde im neuen hessischen Landtag keine Fundamentalopposition betreiben: "Wo es Übereinstimmungen gibt, werden wir auch mit der CDU zusammenarbeiten." Die Grünen wollten künftig als konstruktive Opposition vor allem ihre Kompetenz unter Beweis stellen. Es werde keine Koalition in der Opposition mit der SPD geben: "Wir denken nicht darüber nach, uns mit anderen zu verbünden", sagte Schulz-Asche.

Und auch bei den Linken soll es keine personellen Änderungen an der Spitze der Fraktion geben. So soll der Spitzenkandidat der hessischen Linken, Willi van Ooyen, auch weiterhin die Landtagsfraktion führen. Der Landesvorsitzende Ulrich Wilken wird den 61-jährigen van Ooyen im Landesvorstand der Partei erneut für diesen Posten vorschlagen.

Wilken zeigte sich zufrieden mit dem Wiedereinzug der Linkspartei in den hessischen Landtag, äußerte sich aber enttäuscht über die Höhe des Wahlergebnisses: "Ein paar Prozentpunkte mehr hätten uns auch gefreut." Die Linke hat sich nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis leicht von 5,1 auf 5,4 Prozent verbessert.

Als neue politische Kraft verfüge die Linke aber offenbar noch nicht über ausreichend Vertrauen bei der Bevölkerung. Angesichts der Wirtschaftskrise hätten viele Wähler sich eher für die etablierten Kräfte entschieden, sagte Wilken.

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