Reaktion:Wie man mit Worten kämpft

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Berlin könnte die Angreifer benennen, sie stammen aus Russland.

Von Georg Mascolo, Ronen Steinke und Hakan Tanriverdi

Wenn die deutschen Sicherheitsbehörden glauben, dass Russland hinter dem Angriff steckt, warum erhebt Berlin dann nicht öffentlich einen Vorwurf an Moskau? Gewiss, die Zurechnung eines Hacks zu seinem Urheber, die sogenannte Attribution, ist schwierig, technische Indizien können manipuliert werden. Doch so sicher wie diesmal sei man noch nie gewesen, heißt es aus Sicherheitskreisen. Die ins Auswärtige Amt eingeschleuste Schadsoftware stamme von der Hackergruppe "Uroburos", auch bekannt als "Snake" (Schlange).

Tim Maurer, Cybersicherheitsexperte der Stiftung Carnegie Endowment for International Peace, hält eine solche Zurechnung anhand gewisser Tatmuster für stichhaltig: In den USA sei das schon öfter gelungen, "es gibt Kapazitäten, den Ursprung solcher Angriffe aufzuklären". Die Hacker-Gruppe wird dem russischen Staat zugeordnet, auch daran gibt es kaum Zweifel, auch nicht unter unabhängigen Experten.

Im Streit mit China hat ein offenes Wort bereits gefruchtet

Dass Staaten dazu übergehen, Hackerangriffe nicht einfach hinzunehmen, ist eine vergleichsweise neue Entwicklung. Zum ersten Mal erhob das US-Justizministerium 2014 Anklage gegen chinesische Hacker der Militäreinheit 61398. Auch als Nordkorea Hacker losschickte, um die US-Firma Sony zu sabotieren - anscheinend als Rache für die Slapstick-Komödie "The Interview", in der Diktator Kim Jong-un von einem Talkshow-Moderator getötet werden soll -, wurde Washington aktiv. Die USA beschlossen Sanktionen. Zuletzt verhängten die USA Mitte März neue Sanktionen gegen Russland, Anlass waren "böswillige russische Cyberaktivitäten".

Den Verdacht offen ansprechen, das schafft politischen Gegendruck. So zumindest die Hoffnung. Auch die Deutschen haben, über den Weg der Diplomatie, schon gute Erfahrungen damit gemacht. Als Kanzlerin Angela Merkel 2016 den chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping besuchte, da hüllte sie ihre Beschwerde, China spioniere deutsche Unternehmen und Forscher aus, noch in Höflichkeit. Merkel und Xi versprachen sich einen "gegenseitigen Verzicht auf Cyber-Spionage zu kommerziellen Zwecken". In Deutschland wurde hinterher tatsächlich ein Rückgang der Angriffe registriert. Und als Ende des vergangenen Jahres das Bundesamt für Verfassungsschutz, weniger höflich, öffentlich anprangerte, dass chinesische Geheimdienst-Tarnfirmen über soziale Netzwerke Tausende Personen aus dem Politikbetrieb anschreiben würden, gingen auch diese Aktivitäten zurück. Man kann bei Spionage nie sicher sein, vielleicht suchen sich die Späher bloß subtilere Wege. In jedem Fall aber scheint es die Kalkulation des ausländischen Gegners zu verändern, wenn darüber öffentlich gesprochen wird.

Weil keine harten - jedenfalls keine gerichtsfesten - Beweise vorlagen, dass Russland vor der Bundestagswahl im deutschsprachigen Internet eine Desinformationskampagne betrieben hatte, entschied sich die Regierung, einen entsprechenden Untersuchungsbericht der Geheimdienste unter Verschluss zu halten. Mancher in den Sicherheitsbehörden fand es falsch, dass nicht zumindest die gesammelten Indizien in einer um Geheimes bereinigten Form der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Nun wiederholt sich dieselbe Grundsatzdebatte.

© SZ vom 23.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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