Reaktion auf Papst-Kritik:Bischof wirft Zentralrat "Hassausbrüche" vor

Der Zentralrat der Juden fordert von Papst Benedikt XVI. mehr Respekt, der Regensburger Bischof Müller kontert scharf - und auch die Piusbrüder schalten sich ein.

Drei Interviews der Nachrichtenagentur ddp haben die Kontroverse zwischen katholischer Kirche und dem Zentralrat der Juden neu entfacht.

Bischof Gerhard Ludwig Müller Regensburg Papst Piusbrüder Zentralrat Juden ddp

Gilt als konservativ: der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller.

(Foto: Foto: ddp)

Den Anfang machte der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer. Vor Weihnachten hatte Kramer auf die Ankündigung des Vatikans, die Seligsprechung des umstrittenen Papstes Pius XII. voranzutreiben, mit starken Worten kommentiert.

Benedikt XVI. erkannte Pius, der wegen seines öffentlichten Schweigens zum Holocaust für viele nicht zum Vorbild taugt, "heroische Tugenden " zu - für Kramer war das ein Schritt, der ihn "traurig und wütend" machte.

Kramer nennt Pius-Verfahren "eine Provokation"

Nun meldet sich Kramer erneut zu Wort - und erweitert seine Kritik am Heiligen Stuhl. Er wünsche sich von Benedikt XVI. mehr Respekt gegenüber anderen Religionsgemeinschaften. Der Pontifex solle "die Form seines bisherigen Umgangs" überdenken, erklärt Kramer. Dabei sollte der Papst zu dem Schluss kommen, "dass es nicht darum geht, Respekt zu predigen, sondern mit gutem Beispiel zu lehren".

Kramer nahm erneut Bezug auf die Kontroverse um die ultrakonsverativen Piusbrüder. Die die Aufhebung der Exkommunikation von vier Traditionalisten-Bischöfen habe das Verhältnis der jüdischen Religionsgemeinschaft zum Vatikan "sehr belastet". Daran habe sich bis heute nichts geändert.

Die Rede des Papstes in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem sei zwar wohlwollend zur Kenntnis genommen worden, habe aber "das aus der Kontroverse resultierende tiefe Misstrauen nicht beseitigen können". Unter den rehabilitierten Bischöfen befindet sich auch der Holocaust-Leugner Richard Williamson.

Auch den Streit um Pius sprach Kramer an. Das vorangetriebene Seligsprechungsverfahren sei eine "Provokation", "besorgniserregend" und "ärgerlich".

Müller spricht von "Entgleisungen"

Kramer betonte zugleich, man müsse "differenzieren zwischen Vatikan und Papst auf der einen Seite und katholischer Kirche in Deutschland auf der anderen Seite".

Das Verhältnis zwischen dem Zentralrat der Juden und einzelnen Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz sei zwar nicht immer ganz spannungsfrei, aber im Großen und Ganzen herrsche "ein gutes Vertrauensverhältnis, das von gegenseitigem Respekt geprägt ist".

Die katholische Kirche nahm umgehend den als Joseph Ratzinger geborenen Papst in Schutz. Der als konservativ geltende Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller konterte die Kritik mit deutlichen Worten.

Müller sagte, grundsätzlich sei das Verhältnis zwischen Kirche und dem Judentum als Religionsgemeinschaft auf einem "guten und unumkehrbaren Weg in eine Zukunft freundschaftlicher Beziehungen und der Zusammenarbeit".

Piusbrüder danken dem Papst

Leider gebe es aber unqualifizierte Äußerungen, ja Hassausbrüche jenseits aller Vernunft und der natürlichen Sympathie, die zwischen Menschen guten Willens und gemeinsamen Grundüberzeugungen nicht akzeptiert werden könnten.

Der Bischof betonte: "Wir reagieren auf sprachliche Entgleisungen dieser Art aber gelassen und keineswegs mit Gesprächsverweigerung." Die Devise der Kirche laute: "Sich geistig austauschen, in ethischen Fragen gemeinsam Position beziehen und sich mit Respekt begegnen."

Müller versicherte, dass allen Befürchtungen zum Trotz der Weg der Piusbrüder zurück in die Kirche nur über das Zweite Vatikanische Konzil führe: "Der Verdacht, der Papst wolle die Kirche hinter das Konzil zurückführen, entspringt blankem theologischen Unverstand und bedarf keiner weiteren Kommentierung."

Der Piusbruderschaft warf der Bischof vor, ihr Versprechen, "die Autorität des Papstes und damit auch aller legitimen Konzilien" anzuerkennen, nicht eingehalten zu haben.

Der "illegal geweihte" Bischof Richard Williamson, der mit seinen "unglaublich zynischen Bemerkungen zum millionenfachen Leiden und Sterben der grausam ermordeten europäischen Juden durch die Nazi-Diktatur" die ganze Krise ausgelöst habe, zeige keine Einsicht. Er könne sich Williamson unter keinen Umständen als aktiven Bischof in der Kirche vorstellen.

Seitenhieb auf Merkel

Inzwischen meldeten sich auch die Piusbrüder zu Wort - und stellten sich vor den Papst. Der deutsche Distriktobere der traditionalistischen Piusbruderschaft, Pater Franz Schmidberger, wies die anhaltende Kritik an Papst Benedikt XVI. zurück.

Er könne zwar "die Empörung von jüdischen Kreisen" über die Äußerungen von Bischof Richard Williamson zum Holocaust "durchaus verstehen", sagte Schmidberger.

"Indes hat die Priesterbruderschaft St. Pius X. sich deutlich von diesen distanziert, und auch der Papst ließ keine Zweifel über seine Haltung zum Holocaust." Speziell die "Wortmeldungen" von Zentralrats-Generalsekretär Stephan Kramer seien "auch unter Juden sehr umstritten".

Schmidberger rief die Vertreter des Judentums in Deutschland zum theologischen Gespräch auf. Die Äußerungen von Zentralrats-Präsidentin Charlotte Knobloch, die wieder eingeführte Karfreitagsfürbitte für die "Erleuchtung" der Juden sei schlimmer als Williamsons Worte, zeigten, dass es im Grunde um "tiefere theologische Differenzen" gehe.

Die Piusbruderschaft sei dem Papst jedenfalls für seinen "mutigen Schritt", die Exkommunikation der vier Traditionalistenbischöfe aufzuheben, "sehr dankbar".

Auch Angela Merkel bekam einen Seitenhieb ab: Mit Blick auf die "Papstschelte" der Bundeskanzlerin sagte der Piusbruder, viele Katholiken hätten die Kritik der CDU-Chefin als "beschämend" empfunden.

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