Reaktion auf mutmaßlichen Giftgaseinsatz:USA planen kurzen Militärschlag gegen Syrien

US-Lenkwaffen-Zerstörer

Die Lenkwaffenzerstörer USS Mahan (DDG-72) und USS Barry (DDG-52) in der Marinebasis Norfolk, Virginia (Archivbild von 2012): Die USA ziehen im östlichen Mittelmeer zusätzliche Kriegsschiffe - darunter diese beiden - zusammen, die unter anderem mit Marschflugkörpern vom Typ Tomahawk bewaffnet sind.

(Foto: Lolita Lewis/dpa)

Wer im Syrien-Konflikt Giftgas eingesetzt hat, ist noch ungeklärt - dass es zu einem solchen Angriff kam, ist für die USA so gut wie gesichert. US-Außenminister Kerry kündigt eine baldige Entscheidung Obamas an - einem Zeitungsbericht zufolge erwägt der US-Präsident einen begrenzten Militärschlag gegen Damaskus.

Die Szenarien für einen möglichen Militärschlag gegen Syrien werden immer konkreter: Nach dem mutmaßlichen Giftgaseinsatz in dem Land erwägen die USA einem Zeitungsbericht zufolge einen bis zu zwei Tage dauernden Militärschlag: Wie die Washington Post in der Nacht zum Dienstag unter Berufung auf hochrangige Regierungskreise berichtete, prüft Obama einen Militärschlag, dessen Umfang und Dauer begrenzt wären und die USA nicht tiefer in den syrischen Bürgerkrieg hineinziehen würde.

Vermutlich würde der Angriff mit Marschflugkörpern von See aus oder durch Langstreckenbomber erfolgen. Ziele wären Armee-Einrichtungen, die nicht direkt in Verbindung mit dem Chemiewaffen-Arsenal des Landes stehen. Kriegsschiffe der US-Marine mit Marschflugkörpern befinden sich bereits im Mittelmeer.

Wie die Zeitung weiter berichtete, hängt die Umsetzung des Plans von drei Faktoren ab: Der Abschluss der Geheimdienst-Ermittlungen zu dem mutmaßlichen Angriff nahe Damaskus, die Beratungen mit den Verbündeten und dem US-Kongress sowie das Vorhandensein einer juristischen Grundlage auf der Basis des internationalen Rechts.

Die UN-Inspekteure in Syrien hatten am Montag in zwei Krankenhäusern nahe Damaskus Betroffene des mutmaßlichen Giftgasangriffs vom vergangenen Mittwoch untersucht. Sie hätten mit Überlebenden und Ärzten gesprochen und auch einige Proben genommen, teilte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon mit. Es brauche nun etwas Zeit für eine erste Auswertung, sagte er. Laut Ärzte ohne Grenzen sind in von der Organisation betreuten Krankenhäusern 3600 Menschen mit Symptomen einer Vergiftung mit Nervengift behandelt worden. Von ihnen seien 355 gestorben.

"Wir prüfen weiter mögliche Antworten"

Die US-Republikaner haben Obamas Vorgehensweise in der Syrien-Krise unterdessen kritisiert. Obama sei verpflichtet, dem amerikanischen Volk die Beweggründe für sein Handeln zu erläutern, erklärte am Montag John Boehner, der Präsident des Repräsentantenhauses. Vor einem Militäreinsatz müsse Obama zudem Rücksprache mit dem Kongress halten, sagte ein Sprecher. Es müsse klar definiert werden, was ein Angriff erreichen solle. Weiter müsse eine "breit angelegte Strategie vorliegen, wie Stabilität geschaffen werden kann".

Nach Angabe des Weißen Hauses hat Obama noch keine Entscheidung über seine Reaktion auf den mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Syrien getroffen. "Wir prüfen weiter mögliche Antworten", sagte Obamas Sprecher Jay Carney. Die Regierung stimme sich dabei mit dem Kongress und den US-Verbündeten ab.

Zuvor hatte US-Außenminister John Kerry erklärt, dass Washington vom Einsatz von chemischen Waffen gegen Zivilisten in Syrien so gut wie überzeugt sei. Zwar gebe es weiterhin Untersuchungen, sagte Kerry. Doch er warf Damaskus vor, UN-Beobachtern fünf Tage lang Zugang zu dem Gelände des Giftgaseinsatzes verweigert zu haben. Zudem habe das Regime durch den weiteren Beschuss des Viertels Beweise vernichtet. "Dies ist nicht das Verhalten einer Regierung, die nichts zu verbergen hat", sagte Kerry am Montag in Washington.

Die USA und die internationale Gemeinschaft müssten darauf antworten. Präsident Barack Obama werde in Kürze darüber entscheiden. Es handele sich um eine "moralische Obszönität", sagte Kerry. "Was wir in der vergangenen Woche in Syrien gesehen haben, schockiert das Bewusstsein der Welt."

"Alles wird sich in dieser Woche abspielen"

Kerry erinnerte daran, dass Assads Armee über ein Chemiewaffenarsenal verfügte. "Wir wissen, dass das syrische Regime die Fähigkeiten hat, das mit Raketen zu machen", sagte er. "Wir wissen, dass das Regime entschlossen war, die Opposition von den Orten zu vertreiben, wo die Attacken stattgefunden haben." Die USA verfügten über Beweise, die sie mit den Verbündeten beraten und später veröffentlichen wollten.

"Trotz der Entschuldigungen und Mehrdeutigkeiten, die einige vorgebracht haben, ist es unbestreitbar", sagte Kerry offenbar mit Blick auf das Regime in Damaskus. Weiter sagte Kerry, die Aufgabe der UN-Inspekteure sei es lediglich, festzustellen, ob Giftgas eingesetzt worden sei. Nicht aber, welche Seite im Bürgerkrieg es eingesetzt habe.

Zuvor hatte US-Verteidigungsminister Chuck Hagel in der indonesischen Hauptstadt Jakarta gesagt: "Bevor alle Fakten auf dem Tisch liegen und wir absolut sicher wissen, was in Syrien passiert ist, werde ich nichts zu möglichen Konsequenzen sagen." Eine mögliche Reaktion werde immer mit der internationalen Gemeinschaft abgestimmt sein.

Großbritanniens Außenminister William Hague sagte dagegen, ein militärisches Eingreifen wäre auch ohne einstimmiges Votum des Weltsicherheitsrates legitim. Auch Frankreich rechnet mit einer raschen Entscheidung. "Alles wird sich in dieser Woche abspielen", sagte Präsident François Hollande am Montag der Zeitung Le Parisien. Es seien mehrere Optionen auf dem Tisch, "von einer Verstärkung der internationalen Sanktionen über Luftangriffe bis zur Bewaffnung der Rebellen". Auch die Türkei erklärte sich zur Teilnahme an einem Militärbündnis bereit.

Bei einem Treffen in Jordanien einigten sich führende Militärs aus zehn westlichen und arabischen Staaten darauf, dass ein möglicher Angriff auf Syrien nur begrenzte Ziele verfolgen sollte. Ein Angehöriger der jordanischen Armee sagte: "Es wurde entschieden, dass begrenzte Raketenangriffe die verantwortungsvollste und nachhaltigste Antwort wären, falls die internationale Gemeinschaft gezwungen werden sollte, in Syrien zu handeln." Keine Einstimmigkeit gab es bei der Frage, ob man zudem versuchen sollte, eine Flugverbotszone durchzusetzen und die Luftwaffe von Präsident Baschar al-Assad zu zerstören.

Das US-Außenministerium hat ein für Mittwoch geplantes Treffen mit Vertretern Russlands wegen der laufenden Beratungen über das weitere Vorgehen in Syrien abgesagt. Das erklärte ein Sprecher des US-Außenministeriums. Der stellvertretende russische Außenminister Gennadi Gatilow erklärte, Russland bedauere die Absage. Er betonte, die Entscheidung sei von den USA im Alleingang getroffen worden. Auch die syrische Opposition hatte zuvor einer Friedenskonferenz eine Absage erteilt.

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