Reaktion auf französisches Genozid-Gesetz:Törichtes aus Ankara

Der türkische Regierungschef Erdogan wütet gegen den Beschluss der franzöischen Senats, den Genozid an den Armeniern auch so zu nennen. Ankara betont, Geschichte sei nur etwas für Historiker, nicht für Parlamente. Wenn das so ist, dann sollten auch die Politiker in der Türkei Geschichte den Historikern überlassen und keine Staatsaffäre daraus machen. Die wahren Motive für den Furor aber werden von Ankara auch dabei gern verschwiegen.

Christiane Schlötzer

"Null und nichtig" hat der türkische Premier Tayyip Erdogan jetzt das französische Genozid-Gesetz genannt. Nach allem, was zuletzt an Törichtem aus Ankara zu hören war, ist diese neueste Reaktion Erdogans schon fast ein Entspannungszeichen.

Womöglich haben türkische Unternehmer ihrem hitzköpfigen Regierungschef klargemacht, dass die angedrohten Sanktionen dem Freihandelsabkommen der Türkei mit der EU widersprechen würden, und dass sie auch gar nicht daran denken, freiwillig auf ihre florierenden Geschäfte mit Frankreich zu verzichten - immerhin der fünftwichtigste Handelspartner der Türkei.

Aber auch ohne Croissant-Verbot in der Türkei wird das politische Klima zwischen Paris und Ankara frostig bleiben. Für die Türkei ist dies weitaus problematischer als für Frankreich. Schließlich hat sie ihren Wunsch nach einer Mitgliedschaft in der EU bislang nicht aufgegeben. Erdogans Drohung, nun womöglich auf Besuche bei Nikolas Sarkozy zu verzichten, dürfte da kaum hilfreich sein, zumal in Frankreich die Skepsis gegenüber einer Aufnahme der Türkei in die Union schon bislang erheblich war.

Ankara betont, Geschichte sei nur etwas für Historiker, nicht für Parlamente. Wenn das so ist, dann sollten auch die Politiker in der Türkei Geschichte den Historikern überlassen und keine Staatsaffäre daraus machen. Die wahren Motive für den Furor aber werden von Ankara auch dabei gern verschwiegen. Die Türkei fürchtet Entschädigungsforderungen, wenn sie die Massaker an den osmanischen Armeniern 1915/16 als Völkermord anerkennt. Dem könnte die Türkei am besten entgehen, wenn sie ihr Verhältnis zum Nachbarland Armenien auf eine neue Basis stellen würde.

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