Reaktion auf britischen Irak-Rückzug:Klimmzüge im Weißen Haus

US-Präsident Bush gerät in Erklärungsnot, weil die Verbündeten aus dem Irak abziehen. Sein Plan, das amerikanische Truppenkontingent im krisengeschüttelten Irak zu erhöhen, wird immer fraglicher.

Christian Wernicke

Die Gabe, aus der Not eine Tugend zu machen, beherrschen sie im Weißen Haus. Und weil Tony Blair, Amerikas truppenstärkster Verbündeter im Irak, am Dienstag persönlich angerufen hat bei George W. Bush, war man sehr wohl vorbereitet für den Moment, da sich die Kunde von Britanniens Teilabzug aus der Wüste bis nach in Washington verbreitete.

Reaktion auf britischen Irak-Rückzug: Was nun, Herr Bush? Die Kriegsgegner in den USA sind im Aufwind.

Was nun, Herr Bush? Die Kriegsgegner in den USA sind im Aufwind.

(Foto: Foto: Reuters)

Der Präsident betrachte Blairs Entscheidung "als ein Zeichen des Erfolgs", erklärte Gordon Johndroe, der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats. Wenn London nun der irakischen Armee die Verantwortung im Süden des Landes anvertraue, so Johndroe weiter, "dann beweist das nur, dass sich die Bedingungen dort genügend verbessert haben."

Die Koalition der Willigen sei "intakt", sekundierte am Mittwoch dann auch Außenministerin Condoleezza Rice. Merke: Es gibt doch noch gute Nachrichten von der fernen Front in Nahen Osten.

Nur, diese offizielle Deutung des Weißen Hauses ist bestenfalls ein Teil der Wahrheit. Natürlich weiß die Regierung, dass Blairs stufenweiser Rückzug jenen Stimmen im eigenen Land zusätzliche Kraft geben wird, die auch Amerikas Truppen lieber morgen als übermorgen heimholen möchten.

Blair als Kronzeuge der Kriegsgegner Bushs Plan, im Laufe des Frühjahrs die Zahl amerikanischer Soldaten im Irak von etwa 130 000 auf mindestens 150 000 zu erhöhen, wirkt nun einsamer denn je: Während sich die Briten und die Dänen daran machen, ihr Marschgepäck für die Heimreise zu schnüren, soll allein Amerika noch mehr GIs aufbieten?

Spätestens vom kommenden Montag an dürfte Tony Blair zum Kronzeugen avancieren für die Gegner von Bushs Kriegsstrategie. Nach einer Woche Ruhepause versammelt sich dann wieder der US-Kongress - und nicht nur die Demokraten feilen dort an allerlei Initiativen, um die Nachrüstung im Irak zu stoppen. Joe Biden etwa, Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses im Senat, hofft heimlich auf Beistand auch einiger republikanischer Kollegen für seinen Vorstoß, die Macht des Präsidenten als Oberbefehlshaber zu beschneiden.

Der Demokrat plant, per neuer Resolution jenen Kongressbeschluss vom Herbst 2002 zu revidieren, der Bush grünes Licht gab zum Marsch gegen Saddam Hussein. Ein Zusatz soll nun klarstellen, dass die US-Truppen nur für zwei Zwecke im Irak ihr Leben riskieren dürfen - im Kampf gegen mutmaßliche Al-Qaida-Terroristen und zur Ausbildung der irakischen Sicherheitskräfte.

Ausdrücklich missbilligen will Biden, "unsere Truppen in die Mitte eines Bürgerkriegs zu stellen". Damit aber wäre der Grund für die jetzige Truppenverstärkung in Bagdad hinfällig.

Für eingefleischte Kriegsgegner wie Hillary Clinton oder den Abgeordneten John Murtha ist Tony Blair nicht länger Bushs Koalitionär, sondern ihr Verbündeter.

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