Reaktion auf abgesagte Auftritte:"Wahlkampf für türkische Angelegenheiten bitte in der Türkei"

Reaktion auf abgesagte Auftritte: So sah es in Oberhausen aus, bevor der türkische Ministerpräsident Yıldırım vor wenigen Wochen auftrat.

So sah es in Oberhausen aus, bevor der türkische Ministerpräsident Yıldırım vor wenigen Wochen auftrat.

(Foto: AFP)
  • Nach der Absage von zwei geplanten Wahlkampfauftritten türkischer Minister in Deutschland bestellt Ankara den deutschen Botschafter ein.
  • Diesem sei das "Unbehagen über diese Entwicklungen" vermittelt worden, sagt ein türkischer Beamter.
  • Türkische Politiker reagierten empört über die verhinderten Auftritte von Justizminister Bozdağ und Wirtschaftsminister Zeybekçi.

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl stellt sich hinter die Entscheidungen zweier Städte, die geplanten Wahlkampfauftritte türkischer Minister in Deutschland abzusagen. Dass die badische Stadt Gaggenau diesen Schritt gegangen sei, sei "nachvollziehbar", sagte er in Stuttgart. Der Heilbronner Stimme und dem Mannheimer Morgen sagte er zudem: "Wer Wahlkampf für türkische Angelegenheiten machen möchte, möge das bitte in der Türkei tun."

Die Stadt Gaggenau in Baden-Württemberg hatte die Veranstaltung mit dem türkischen Justizminister Bekir Bozdağ mit der Begründung untersagt, die Parkplätze und die Zufahrten reichten für den erwarteten Besucherandrang nicht aus. Die Stadt Köln teilte mit, sie werde einen Saal nicht zur Verfügung stellen, in dem am Sonntag der türkische Wirtschaftsminister Nihat Zeybekçi für das geplante Präsidialsystem werben wollte.

Die Regierung in Ankara bestellte daraufhin den deutschen Botschafter Martin Erdmann ein. Diesem sei am Abend im Außenministerium das "Unbehagen" der Türkei "über diese Entwicklungen" vermittelt worden, sagte ein türkischer Beamter.

So reagierten türkische Politiker

Hinter der Absage in Gaggenau vermutet der türkische Justizminister Bozdağ politische Motive. Er sprach von einer "Skandal-Entscheidung", die "gegen diplomatische Höflichkeit verstößt". Zudem sagte Bozdağ ein mit dem deutschen Justizminister Heiko Maas (SPD) geplantes Treffen ab, bei dem es ursprünglich um die Inhaftierung des Welt-Korrespondenten Deniz Yücel gehen sollte. "Was ist das für eine Demokratie?", sagte Bozdağ zudem. Die Türkei könne diese "antidemokratische Auffassung" nicht akzeptieren. "Das kann man mit Demokratie und Meinungsfreiheit nicht erklären. Schon gar nicht schickt es sich für einen Rechtsstaat."

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu warf Deutschland Doppelmoral vor. Wenn Deutschland die Beziehungen zur Türkei aufrechterhalten wolle, müsse es "lernen, sich zu benehmen".

Zuvor hatte sich auch der stellvertretende türkische Regierungschef Numan Kurtulmuş in die Debatte eingeschaltet. Die geplanten Versammlungen in Gaggenau und Köln wirkten sich in keiner Weise auf die deutsche Innenpolitik aus, sagte er. "Wenn ein demokratisches Land solche Verbote ausspricht, ist das keinesfalls zu akzeptieren." Die türkischen Staatsbürger müssten informiert werden können, sagte Kurtulmuş.

Auch die türkische Opposition kritisierte die Entscheidung. "Das ist ganz und gar nicht in Ordnung", sagte CHP-Chef und Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu nach Angaben der Nachrichtenagentur DHA am Freitag in Istanbul.

"Diese Entscheidung hilft am Ende Präsident Erdoğan"

Mustafa Yeneroğlu, AKP-Abgeordneter im türkischen Parlament, nannte die Absage einen "Skandal". Sie stelle "die deutsch-türkischen Verhältnisse auf eine weitere harte Belastungsprobe und ist durch und durch von Populismus geprägt", sagte er.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland kritisierte die Entscheidung ebenfalls. Die Stadt hätte mit den Veranstaltern darüber sprechen müssen, wie die Sicherheit gewährleistet werden könne, sagte der Vorsitzende Göky Sofuoğlu der Rheinischen Post. "Diese Entscheidung hilft am Ende Präsident Erdoğan." Damit werde sein Anliegen der Verfassungsänderung nur aufgewertet, sagte Sofuoğlu, der Mitglied in der SPD ist.

Deutsche Politiker hingegen begrüßten die Absagen. "Die Bundesregierung darf sich nicht länger vor einer politischen Entscheidung drücken", sagte Sevim Dağdelen, Sprecherin für internationale Politik der Linksfraktion. Den Werbefeldzug Erdoğans und seiner Minister in Deutschland für Diktatur und Todesstrafe in der Türkei müsse man unterbinden. Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf sagte dem Mannheimer Morgen: "Wenn der türkische Justizminister sich Zeit für einen Termin in Deutschland nimmt, dann wäre es sinnvoller gewesen, statt innertürkischen Wahlkampf zu machen, sich mit uns über Grundrechte und Rechtstaatlichkeit zu unterhalten."

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