Razzia in Norddeutschland:Schlag gegen Schleusernetz

Schleuserrazzia in Hamburg

Bundespolizisten in Hamburg führen im Zuge einer Großrazzia einen mutmaßlichen Schleuser ab.

(Foto: Bundespolizei/dpa)

Migranten aus Moldau sollen illegal nach Deutschland gebracht und ausgebeutet worden sein. Eine Spur führt zu Reichsbürgern.

Von Peter Burghardt, Sebastian Pittelkow und Katja Riedel, Hamburg

Ein schüchterner Gruß mit der einen Hand, eine kleine Reisetasche in der anderen, dann stieg auch dieser Mann in ein Fahrzeug der Bundespolizei. Vermummte Beamte führten den Moldauer am Dienstag aus dem Gebäude im Industriegebiet des Hamburger Stadtteils Bahrenfeld. Es war eine der letzten Szenen dieser Großrazzia gegen mutmaßliche Schleuser, die Migranten aus der Republik Moldau illegal in Deutschland beschäftigt haben sollen. "Es geht um Ausbeutung", sagt der Einsatzleiter Markus Pfau aus Halle. Und es geht um sogenannte Reichsbürger, denn auch in dieses Milieu führt die Spur.

800 Bundespolizisten hatten am Montagabend und Dienstagmorgen 21 Wohnungen und Büros in Norddeutschland und Sachsen-Anhalt durchsucht, im Einsatz waren auch Spezialeinheiten. Acht Verdächtigen wird vorgeworfen, moldauische Staatsbürger mit gefälschten rumänischen Pässen nach Deutschland gebracht und im Sicherheitsgewerbe eingesetzt zu haben. Nach Informationen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung wurden zwei Deutsche und ein Russe festgenommen, einer der drei kam später wieder auf freien Fuß. Im Umkreis der Beschuldigten finden sich Verbindungen zu den Reichsbürgern, also jener Gruppe, die den Staat ablehnt und eigene Strukturen aufbaut.

Migranten aus Moldau sollen illegal in Deutschland ausgebeutet worden sein

Die Fahnder stellten Geld, Gold und falsche Dokumente sicher, dazu geringe Mengen Drogen und Munition. Seit 2017 ermitteln Staatsanwaltschaft Lüneburg, Bundespolizei und Zoll gegen das Netzwerk, zu dem offenbar die aus Österreich stammende Familie M. gehört. Diese betreibt eine Sicherheitsfirma, von der die eingeschleusten Moldauer dem Vernehmen nach an verschiedene Auftraggeber verliehen wurden. So arbeiteten die angeblichen Rumänen als Wachleute im Hamburger Hafen, auf Baustellen und sogar in Unterkünften von Asylbewerbern.

Die Angestellten bezogen Gehälter weit unter dem Mindestlohn und zahlten horrende Mieten für miserable Schlafplätze. In Hamburg-Bahrenfeld waren die Migranten in tristen Zimmern mit Stockbetten über einem Reifenzentrum untergebracht. Sie werden jetzt bei der Polizei befragt, um ihre Identitäten zu klären.

Tiefere Einblicke erhoffen sich die Behörden besonders von ihren Durchsuchungen in Arendssee, Sachsen-Anhalt. Denn dort wohnt und arbeitet die Buchhalterin jener Sicherheitsfirma, bei der die Moldauer angestellt waren. Ihr früherer Mann und ihr Sohn leiten das Unternehmen, das auch in einem Hinterhof im Hamburger Osten eine Filiale betreibt. Ob die Frau oder die Chefs von den Schleusungen wussten oder gar daran beteiligt waren, sollen die Ermittlungen zeigen.

Jedenfalls ist diese Buchhalterin gleichzeitig Vorsteherin der selbsternannten "Samtgemeinde Alte Marck". Diese Vereinigung zwischen Salzwedel und Stendal nennt sich "Gebietskörperschaft und Weltanschauungsgemeinschaft" in der "Preußischen Provinz Sachsen". Sie beruft sich auf das Kaiserreich von 1913 und bastelt an ihrer Parallelwelt. Einsatzkräfte inspizierten Wohnung und Büro der Buchhalterin, das ihr auch als eine Art Bürgermeisteramt dient. Sie schließt dort Reichsbürgerehen und stellt selbstgemachte Geburtsurkunden oder Gewerbescheine aus, alles gegen Gebühr.

Diese "Samtgemeinde Alte Marck" gilt Staatsschützern als extremistisch, nicht als rechtsextrem. Im Verfassungsschutzbericht von Sachsen-Anhalt taucht sie als "Selbstverwalter" auf, sie bezeichne Deutschland als "Scheinstaat". Sie hat etwa 30 Mitglieder. Das Bundesamt für Verfassungsschutz rechnet in ganz Deutschland mit derzeit 18 000 Reichsbürgern.

Nun soll sich zeigen, ob die Erträge der Schleuserbande auch bei den Reichsbürgern gelandet sind. Wenn ja, dann wäre das eine neue Art der Finanzierung. Recherchen von NDR, WDR und SZ ergaben, dass die Buchhalterin mit einem vormaligen Beamten eines Sondereinsatzkommandos zusammenlebt. Er ist wegen des Verdachts der Zugehörigkeit zu den Reichsbürgern suspendiert, scheint aber weiterhin Waffen besitzen zu dürfen. Die Buchhalterin war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Was die ausgebeuteten Moldauer betrifft, so sagt es ein Hamburger Zollexperte so: "Es ist zum Teil fürchterlich, wie die ausgenützt werden."

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