Raumfahrt:Himmelsturz

8,5 Tonnen schwer und groß wie ein Bus - an Ostern fällt die chinesische Raumstation Tiangong 1 unkontrolliert auf die Erde. Die Frage ist: Wo genau?

Von Jan Schwenkenbecher

8,5 Tonnen schwer und 15 Meter lang ist die chinesische Raumstation Tiangong 1, so groß wie ein Bus. Zurzeit rast sie mit 27 000 km/h um die Erde und schafft 16 Erdumrundungen pro Tag. Doch niemand sitzt am Steuer. 2016 ging der Funkkontakt zu der 2011 ins All geschossenen Station verloren. Daher kann Tiangong 1 auch vom Boden aus nicht gelenkt werden. Mit jeder Umkreisung kommt die verwaiste Station der Erde ein kleines Stückchen näher. An den Osterfeiertagen wird sie unkontrolliert abstürzen. Wann und vor allem wo, kann niemand genau sagen.

In einer Höhe von 100 Kilometern wird die Raumstation in die Atmosphäre eintreten und davon stark abgebremst. Am Ende kracht sie mit 300 Kilometern pro Stunde auf die Erde. Der genaue Ablauf hängt von unkalkulierbaren Faktoren ab, der momentanen Atmosphären-Dichte und der Ausrichtung der Raumstation. Die Dichte variiert und wird unter anderem von der Sonnenaktivität beeinflusst. Welcher Teil der Station auf die Lufthülle trifft und ob das ganze Ding taumelt, auch das ist unvorhersehbar - zumal da der Funkkontakt fehlt. Da helfen auch modernste Computer nicht.

Nun dürfte es den meisten Menschen recht gleichgültig sein, wann Tiangong 1 die Atmosphäre berührt. Wichtiger ist, wo sie einschlägt. Doch hängt beides zusammen: "Kennt man den Zeitpunkt des Wiedereintritts in die Atmosphäre nur ungenau, dann ist das mögliche Absturzgebiet riesig", sagt Holger Krag, Leiter der Abteilung für Weltraumschrott bei der Europäischen Weltraumorganisation (ESA). Klar sei nur, dass die Station irgendwo zwischen dem 43. Grad nördlicher und 43. Grad südlicher Breite herunterkomme. Deutschland liegt somit außerhalb der Gefahrenzone. Doch ist die Bevölkerungsdichte in dem Bereich hoch. "Indien und China liegen in dem Band, insgesamt leben dort etwa fünfeinhalb Milliarden Menschen", sagt Krag.

Immerhin wird die Raumstation nicht wie ein Reisebus in irgendeinen Vorgarten krachen. Die meisten Teile der Station verglühen beim Eintritt, der Rest verteilt sich auf eine Distanz von bis zu 1000 Kilometern. "Ein paar Elemente aus hitzefestem Material wie die Tanks aus Titan oder Edelstahl können überleben", sagt Krag. Er schätzt, dass zwischen 1,5 und 3,5 Tonnen Material aufprallen. Wie groß die Trümmer sind, sei schwierig zu sagen, "sie können fußballgroß sein, es kann aber auch mal ein Teil sein, das so groß ist wie der Öltank im Heizungskeller."

Weil weder die ESA noch die chinesischen Behörden Zeit und Ort des Absturzes kennen, können sie auch niemanden warnen. Die Prognose wird zwar genauer, je näher der Wiedereintritt rückt. Doch bis zuletzt könne man allenfalls den einen oder anderen Kontinent ausschließen, sagt Krag. Grund zur Panik bestehe dennoch nicht, das Risiko, dass etwas passiert, sei winzig. Es sei wahrscheinlicher, in einem Jahr zweimal vom Blitz getroffen zu werden, als ein Stück der Raumstation abzubekommen. Auch ist Tiangong 1, auf Deutsch: "Himmelspalast", nur eines von 50 Stücken Weltraumschrott, die alleine 2018 auf die Erde stürzen. In der Raumfahrtgeschichte seien bereits 30 000 Tonnen Müll wieder in die Atmosphäre eingetreten. Noch nie wurde dabei jemand verletzt.

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