Rau zum 17. Juni:"Eine der großen Wegmarken deutscher Freiheitsgeschichte"

Bundespräsident Johannes Rau hat eine angemessene politische und materielle Würdigung der Opfer des Volksaufstands vom 17. Juni 1953 gefordert. Zugleich würdigte er den Freiheitswillen der Aufständischen.

In der Feierstunde des Bundestages zum 50. Jahrestag der Ereignisse in der DDR sagte er, noch immer gebe es Opfer des DDR-Regimes, die "nicht bekommen haben, worauf sie nach meinem Eindruck billigerweise einen Anspruch haben sollten".

Holzkreuz

Holzkreuz der Gedenkstätte des 17. Juni 1953 in Berlin

(Foto: dpa)

"Da ist manches hinter dem zurück geblieben, was wir uns unter Gerechtigkeit vorstellen - so schwierig das oft rechtlich zu regeln sein mag".

Nur wenige Orte und Städte erinnerten an die Aufständischen, an ihren Mut und ihre Ziele. Dagegen hießen in Deutschland "noch immer über hundert Straßen nach Männern, die Verantwortung trugen, als der Aufstand niedergeschlagen wurde". Er fügte hinzu: "Das sollte sich ändern." Immerhin würden am 50. Jahrestag schon in vielen Städten Straßen zu Ehren von Aufständischen umbenannt.

"Der 17. Juni war uns lästig geworden"

Rau bedauerte auch, dass der Gedenktag in der alten Bundesrepublik in die parteipolitische Auseinandersetzung geraten sei. "Seien wir ehrlich: Vielen von uns war der 17. Juni - aus dem einen oder anderen Grund - irgendwie lästig geworden," sagte Rau.

Mit dem Ende des Kalten Krieges hätten sich aber viele ideologische Kontroversen erledigt. Aus der Distanz lasse sich klarer erkennen, dass der 17. Juni 1953 "einer der großen Tage deutscher Freiheitsgeschichte" sei. Die Männer und Frauen, die den Aufstand getragen hätten, hätten sich "um Deutschland und um die Deutschen verdient gemacht".

Dass der Aufstand in seinen wesentlichen Zielen gescheitert sei, ändere nichts an seiner "überragenden Bedeutung für die deutsche Geschichte" und an seinem "unschätzbaren Beitrag" zum Ansehen Deutschlands.

Kranzniederlegung und Gottesdienst

Der Bundespräsident erinnerte an die Opfer Volksaufstandes, an die mehr als 100 Toten, die 20 Hinrichtungen, die 3000 Verhaftungen und die Unrechtsurteile. Bis Januar 1954 seien 1526 Menschen angeklagt und verurteilt worden. Am 17. Juni 1953 habe sich in der DDR eine lang angestaute Unzufriedenheit entladen.

Zuvor hatten neben Rau auch Bundeskanzler Schröder und die Präsidenten von Bundestag, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht, Wolfgang Thierse, Wolfgang Böhmer und Hans-Jürgen Papier, Kränze am Ehrengrab für die Opfer des Volksaufstands niedergelegt. Auf dem Ehrengrab des Friedhofes Seestraße sind elf Menschen begraben, die den Volksaufstand noch am selben Tag oder kurz danach mit dem Leben bezahlen mussten.

Am Morgen hatten die Gedenkfeiern zum 50. Jahrestag mit einem ökumenischen Gottesdienst in der St. Marienkirche am Berliner Alexanderplatz begonnen.

An der Revolte gegen das SED-Regime vor 50 Jahren hatten mehr als eine Million Menschen in rund 700 Städten und Gemeinden der DDR teilgenommen. Innerhalb weniger Stunden wurde der Aufstand von der sowjetischen Besatzungsmacht und DDR-Sicherheitskräften niedergeschlagen. Zwischen 50 und 125 Demonstranten sowie zehn bis 15 SED-Funktionäre und Sicherheitskräfte kamen dabei ums Leben.

(sueddeutsche.de/dpa/AP/AFP)

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