Raser-Urteil:Das Auto als Waffe

Die Richter des Berliner Landgerichts wollten ein Zeichen setzen. Deshalb entschieden sie auf Mord, und nicht auf Totschlag. Aber sie riskieren, dass der Bundesgerichtshof ihre Entscheidung aufhebt.

Von Joachim Käppner

Nach grausamen Verbrechen fordern Politiker oft, die Täter "mit der ganzen Härte des Gesetzes" zu bestrafen. Dieser Ruf ertönt besonders dann, wenn eine Straftat die Menschen besonders aufwühlt, weil sie jeden hätte treffen können, der zur falschen Zeit am falschen Ort war. Wie jener Mann in Berlin, der ums Leben kam, weil er zwei Rasern in die Quere geriet: Sie lieferten sich mitten auf dem Ku'damm ein illegales Rennen. Die beiden jungen Männer hat nun in der Tat die ganze Härte des Gesetzes getroffen. Das Berliner Landgericht verurteilte sie wegen Mordes zu lebenslanger Haft.

Das drastische Urteil will ein Zeichen der Abschreckung setzen, im Juristendeutsch Generalprävention genannt: Eine freie Gesellschaft muss sich bewusstes, brutales Fehlverhalten nicht bieten lassen. Niemand ist daran schuld außer den Tätern selbst, sofern nicht mildernde Umstände vorliegen oder eingeschränkte Schuldfähigkeit. Das Urteil ist, in seiner ganzen Wucht, eine Mahnung in einer Zeit nicht nur verbaler Radikalisierung durch unterschiedlichste Gruppen, die glauben, über dem Recht zu stehen. Manche, wie Hassprediger im Netz, haben ideologische Gründe dafür; anderen ist das Recht aus schlichter Egozentrik gleichgültig.

Die Berliner Richter wollten offensichtlich ein Zeichen setzen

So richtig das alles ist, ein gewisses Unbehagen bleibt - weniger wegen des Strafmaßes als wegen der Einschätzung der Tat als Mord. Es wäre auch eine Verurteilung wegen Totschlags in Betracht gekommen - darauf stehen mindestens fünf Jahre Haft, bei besonders schweren Fällen ebenfalls lebenslang. Oft würde es schon genügen, bei Totschlag oder auch Körperverletzung mit Todesfolge den Strafrahmen auszuschöpfen. Aber das Gericht hat auf Mord erkannt, wohl um der Symbolik willen.

Das Urteil ist juristisch nicht ohne Risiko. Wer bei einem Autorennen in der City den Tod Unbeteiligter in Kauf nimmt, handelt gewiss mit jenem bedingten Vorsatz, der für eine Verurteilung wegen Mordes mindestens nötig ist. Zudem muss wenigstens ein Mordmerkmal erfüllt sein. Mörder ist laut Strafgesetzbuch nur, wer unter anderem aus Mordlust, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam "oder mit gemeingefährlichen Mitteln" tötet. Als letzteres, quasi als Waffen, betrachtete das Gericht die für die Raserei benutzten Autos. In der Revision könnte diese weite Auslegung des Mordparagrafen eine Schwachstelle sein, denn das Gesetz hat bei der Definition des Mordes aus gutem Grund wenig Spielraum zugelassen.

Sollte das Urteil deshalb vom Bundesgerichtshof verworfen werden, dann würde das Zeichen von Berlin zu einem unnötigen Fehlschlag geraten. Das aber wäre bedauerlich, denn Härte gegen solche Täter ist an sich nur zu begrüßen, ebenso wie das Vorhaben, schon die Teilnahme an illegalen Rennen gesetzlich strenger zu ahnden. Das Urteil jedenfalls erinnert daran, dass Menschen für ihr Tun verantwortlich sind. Und dass sie die Folgen tragen müssen, wenn sie diese Verantwortung eigensüchtig in den Wind schlagen.

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