Ramallah:Fatah-Anhänger stecken Parlament in Brand

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Die Lage in den Palästinensergebieten eskaliert: Hunderte Demonstranten und Polizisten haben den Regierungssitz gestürmt und mehrere Gebäude angezündet. Zuvor war es im Parlament zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen.

Die Fatah-Anhänger steckten sowohl das Parlament als auch ein Kabinettsgebäude der Hamas in Brand. Die Sicherheitskräfte reagierten auf eine von Hamas-Kämpfern ausgelöste Schießerei im Gazastreifen, bei der im Laufe des Tages zwei Menschen getötet und 14 verletzt wurden.

Anhänger der Fatah stürmen das palästinensische Regierungsgebäude. (Foto: Foto: AFP)

Im Palästinenserparlament stritten sich Abgeordnete von Hamas und Fatah wegen des von Palästinenser-Präsident Machmud Abbas geplanten Referendums, mit dem dieser gegen die Hamas-Regierung Verhandlungen mit Israel erzwingen will.

Tourismusminister tritt zurück

Der neuerliche Ausbruch der Gewalt hat auch personelle Kosequenzen: Tourismusminister Dschudeh Murkos, der einzige Christ im Kabinett, kündigte in der Nacht zum Dienstag sein Ausscheiden an. Als Grund für seinen Schritt nannte Murkos die gewaltsamen Zusammenstöße. Eine ausführlichere Erklärung werde er am Dienstag abgeben, kündigte er an.

Am frühen Dienstagmorgen haben mehr als 3000 Anhänger der Hamas-Regierung in Gaza gegen das Vorgehen von Fatah-Sicherheitskräften demonstriert.

Lautstarke Streiterein

Im Parlament wüteten die Flammen im Erdgeschoss und breiteten sich dann auf andere Stockwerke aus, wie ein AFP-Reporter berichtete. Das Feuer wurde von Mitgliedern der Al-Aksa-Märtyrer-Brigaden gelegt, dem bewaffneten Arm der Fatah.

Ein Hamas-Abgeordneter wurde von Vermummten entführt. Zuvor waren Demonstranten in das Gebäude der Regierung eingedrungen und hatten das Feuer eröffnet. Sie zerschlugen Fenster, zerstören Computer, zerrissen Dokumente und legten auch hier Feuer. Angegriffen wurden auch Verwaltungsgebäude in Nablus. In Rafah im Gazastreifen hatten zuvor Hamas-Kämpfer das Feuer auf ein Gebäude der Fatah-Sicherheitskräfte eröffnet.

Im Parlament war es zuvor zu lautstarken Streitereien zwischen Abgeordneten der Hamas und der Fatah während einer Sondersitzung in Ramallah gekommen, in der die Abgeordneten über die Rechtsmäßigkeit des von Abbas verfügten Referendums debattierten.

Zu der Sitzung hatte die Hamas eingeladen, die im Parlament die Mehrheit stellt. Abbas hatte am Wochenende gegen den Einspruch von Regierungschef Ismail Hanija den 26. Juli als Termin für eine Volksbefragung festgelegt.

Abstimmung am 20. Juni

Hamas-Vertreter erklärten das Referendum für illegal, Fatah-Abgeordnete verwahrten sich dagegen. Die Parlamentarier beschlossen, den Dialog mit Abbas zu verlängern. Das Parlament soll nun am 20. Juni abstimmen.

Bei dem Referendum, das auf einem Dokument von in Israel inhaftierten prominenten palästinensischen Gefangenen basiert, sollen die Palästinenser für eine Zwei-Staaten-Lösung stimmen.

Nach den Vorstellungen der Dokument-Verfasser, unter ihnen Fatah-Führer Marwan Barguti sowie hochrangige Hamas-Vertreter, soll ein künftiger Staat Palästina in jenen Gebieten ausgerufen werden, die Israel im Sechs-Tage-Krieg 1967 erobert hatte, also im Gaza-Streifen und im Westjordanland. Zudem sollen Verhandlungen mit Israel aufgenommen werden, was einer Anerkennung des jüdischen Staates gleichkäme.

Die Hamas, die nach wie vor zur Zerstörung Israels aufruft, weigert sich, dem Plan zuzustimmen. Am Wochenende hatten die Autoren, die der Hamas angehören, ihre Zustimmung zurückgezogen.

Über die rechtlichen Verbindlichkeiten für eine Volksbefragung herrscht Unklarheit. Die Übergangsverfassung sieht kein Referendum vor. Zwar kann der Präsident ein solches per Dekret anordnen, das Parlament kann das Dekret aber durch Mehrheitsbeschluss kippen. Hanija und Abbas wollen in den nächsten Tagen weitere Gespräche führen.

Der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert schloss gezielte Tötungen von Ministern der Hamas-geführten Palästinenserregierung nicht aus. "Niemand, der mit Terrorismus zu tun hat, genießt Immunität", sagte Olmert in London nach einem Treffen mit dem britischen Premier Tony Blair.

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