Raketenabwehr:Deutsches Mini-Star-Wars

Gemeinsam mit den USA und Italien will Verteidigungsminister Struck unbedingt eine Raketenabwehr gegen Mittelstreckenwaffen entwickeln. Dabei weiß keiner, wo die Raketen herkommen könnten, die abgewehrt werden sollen. Zudem ist nicht wirklich klar, was das Projekt kosten wird. Dafür steht neuer rot-grüner Krach ins Haus.

Von Reymer Klüver

Für den Verteidigungsminister ist das Projekt schlicht "unabdingbar". Viel mehr sagt Peter Struck (SPD) nicht zum Unternehmen Meads. Für Reinhard Bütikofer, den Grünen-Chef, dagegen wurde "an keiner Stelle dargelegt, wie dieses erhebliche Finanzvolumen Platz finden soll in der Planung der Bundeswehr".

Und der Verteidigungsexperte der Grünen im Haushaltsausschuss der Bundestags, Alexander Bonde, ist gar zutiefst "bestürzt" über milliardenschwere Folgen eines High-Tech-Unterfangens, das in der Öffentlichkeit bisher kaum wahrgenommen wurde. Es geht um eine Art Mini-Star-Wars-Programm: Gemeinsam mit den USA und Italien wollen die Deutschen eine Raketenabwehr gegen Mittelstreckenwaffen (Meads) entwickeln.

Es gibt dabei nur zwei Probleme. Keiner weiß im Moment so recht zu sagen, wo die Raketen herkommen könnten, die abgewehrt werden sollen. Zudem ist nicht wirklich klar, was das Projekt kosten wird. Die politischen Folgen aber sind absehbar: Neuer rot-grüner Krach steht ins Haus.

In seinem persönlichen Brief ("Sehr geehrter Herr Struck, lieber Peter") fordert Bonde dringlich Aufklärung über die "langfristige finanzielle Perspektive" des Projekts. Aufgeschreckt haben den Grünen-Haushälter Warnungen der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) und des ernst zu nehmenden militärpolitischen Internet-Briefs GeoPowers.

Die HSFK hatte Gesamtkosten von zwölf Milliarden Euro als "nicht aus der Luft gegriffen" angegeben. GeoPowers rechnet vor, dass man beim Preisstand von 2004 "ganze zwei" Meads-Einheiten für 2,85 Milliarden Euro bekommt. Das ist die Summe, mit der das Verteidigungsministerium tatsächlich plant. Allerdings will es damit zwölf Einheiten finanzieren, so die Auskunft eines Ministeriumssprechers. Sie sollen bis 2019 angeschafft werden. Dazu kämen noch einmal 1,3 Milliarden an Entwicklungs- und Anschaffungskosten für die ersten drei Einheiten.

Zudem ist zumindest umstritten, wen das technisch anspruchsvolle Rüstungsprogramm schützen soll. Eine Bedrohung Deutschlands durch Mittelstrecken-Flugkörper "gibt es nicht", schreibt die HSFK kurz und bündig. Auch Angriffe mit solchen Waffen auf deutsche Soldaten im Ausland seien "kaum vorstellbar".

Angesichts dieser Unwägbarkeiten und Zahlenspiele will Grünen-Mann Bonde nun eine "Perspektive mit belastbarer Kostenobergrenze", wie er Struck schreibt. Ob er die bekommt, steht freilich auf einem anderen Blatt.

Struck will über das Projekt nicht mehr diskutieren. Meads sei "unverzichtbar für das Verhältnis zu den USA". Mit diesem bündnispolitischen Argument sollen allzu kritische Fragen zu Sinn und Kosten wohl von vornherein abgewehrt werden. Schon im Anflug abgeschossen, sozusagen.

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