RAF:Entlassung in eine unbekannte Welt

Brigitte Mohnhaupt, die einstige Einpeitscherin der RAF, wird nach 24 Jahren Gefängnis nun bald wieder frei sein - und allein.

Cathrin Kahlweit

"Durchaus nicht unsympathisch, ruhig, selbstbewusst und hilfsbereit" - so schildert der Leiter des Frauengefängnisses Aichach, Wolfgang Deuschl, eine seiner berühmtesten Gefangenen, Brigitte Margret Ida Mohnhaupt. 57 Jahre ist die zierliche Frau mit der großen Brille mittlerweile alt, sie malt gern und liest viel. Mehr ist über die "Chefin des Terrors" (Quick 1977) nicht bekannt.

Mohnhaupt RAF Entlassung

Ein Bild aus dem dem Jahr 1977

(Foto: Foto: AFP)

Die Freiheit hat sie nur bei einem Dutzend sogenannter Ausführungen ausprobiert, bei Kurzbesuchen in der fremden Welt eines wiedervereinigten Deutschland, eines erweiterten Euro-Europas, einer globalisierten Wirtschaft. 24 Jahre hat sie hinter Gittern gesessen, zuletzt durfte sie das eine oder andere Mal Verwandte besuchen oder sich umschauen in dem neuen Alltag, der bald auch der ihre sein wird.

Pläne für die Zukunft habe sie sehr wohl, sagt der Gefängnisdirektor, aber über die wolle er sich nicht äußern; ohnehin erstreckt sich zwischen den Plänen für das Leben draußen und der harten Wirklichkeit für ehemalige RAF-Terroristen, die ihren Namen und ihre Vita weiter mit sich schleppen, ein tiefer Graben. Fast alle RAF-Gefangenen, die frei kamen, berichten von enormen Schwierigkeiten, sich wieder einzurichten, einen Platz zu finden unter kritischen, oft bösen Blicken und viel nachgetragener Bitterkeit.

Eine repräsentative Biographie

Und wie auch nicht? Brigitte Mohnhaupt hat Schuld auf sich geladen, sie gilt als Einpeitscherin der zweiten RAF-Generation, ist unter anderem für die Morde an Generalbundesanwalt Siegfried Buback, Dresdner-Bank-Chef Jürgen Ponto und Arbeitgeber-Präsident Hanns-Martin Schleyer zu fünf Mal lebenslänglich verurteilt worden.

Als Andreas Baader, Jan Carl Raspe und Gudrun Ensslin sitzen, übernimmt sie, so will es der RAF-Mythos, die "Befehlsgewalt", nach dem Tod der drei Stammheim-Häftlinge ist sie eine der Aktivistinnen, die den bewaffneten Kampf durchfechten wollen, sie ist, glaubt man ihren Pamphleten und Aktionen, unbelehrbar, unbeirrbar, mitleidslos.

Eine sehr seltsame und gleichzeitig sehr repräsentative Biographie hat diese Brigitte Mohnhaupt - wie so viele, die als junge Schüler oder Studenten erst ein paar Spaß- und Spontiaktionen machten, sich dann der Stadtguerilla anschlossen, schließlich zur Roten Armee Fraktion stoßen. Und wie meist bei weiblichen RAF-Mitgliedern hat diese Entwicklung auch viel mit Liebe, mit der Bewunderung für einen Mann zu tun.

Bei Brigitte Mohnhaupt, die von Bruchsal, später Karlsruhe, nach München gezogen war und dort Zeitungs- und Theaterwissenschaften studiert, ist es der Student Rolf Heißler. Mit ihm wohnt sie in einer wilden WG, er gründet mit ihr, der Rastlosen, der Unzufriedenen, die alle Kommilitonen für "hoffnungslose Arschlöcher" hält, die Tupamaros, eine Stadtguerilla.

Nach der Trennung von Heißler schließt sie sich Alois Aschenbrenner an, der Waffen für Gewalttaten besorgt. Gemeinsam mit ihrem Freund Bernhard Braun, Kfz-Schlosser aus Berlin, knüpft sie später Kontakte zur RAF. Man macht Besuche in Stammheim, wo sie Fritz Teufel kennen- und bewundern lernt, sie gefällt sich als "Polit-Sufragette", schreibt an der anarchistischen Kampfschrift Otto Caput mit, trägt eine Waffe, will den revolutionären Kampf in die Städte tragen. Die Polizei sucht sie wegen unerlaubten Waffenbesitzes, sie verbringt ihren ersten Tag im Gefängnis.

Entführung der ,,Landshut''

Dies ist meist der biographische Wendepunkt, an dem sich jene Sympathisanten, die zweifeln, die Angst haben, die ihr bürgerliches Leben nicht ruinieren wollen, vom Terror lossagen. Brigitte Mohnhaupt macht weiter, sie taucht unter, ist mutmaßlich an der Ermordung eines Polizisten in Hamburg beteiligt, legt Waffenlager an, stiehlt Ausweise.

Ein erstes Mal wird sie 1972 verhaftet, knapp fünf Jahre muss sie absitzen. In Stammheim lernt sie die Köpfe der RAF kennen, als sie 1977 freikommt, ist sie an der Ermordung von Buback beteiligt, kurz darauf stirbt Ponto, auch bei der Schleyer-Entführung zieht sie die Strippen. Dann plant sie die "Big Raushole", den großen Coup, die Entführung der Landshut, doch das Meisterstück, mit dem Baader, Raspe und Ensslin befreit werden sollen, scheitert. Gemeinsam mit Christian Klar taucht sie 1978 unter. 1981 beteiligt sie sich an dem Attentat auf den US-General Frederick Kroesen. 1982 wird Brigitte Mohnhaupt festgenommen.

Anfang der 90er Jahre, als sich die RAF selbst abwickelt, meldet sie sich noch ein paarmal zu Wort, wendet sich an die Mitkämpfer von einst, von Zelle zu Zelle, seltsam wirr. Aber auch diese Zeiten sind vorbei. Brigitte Mohnhaupt wird bald 60, sie muss den Rest ihres Lebens allein zurechtkommen.

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