RAF-Debatte:Klar will mit Köhler über Gnadengesuch reden

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Nach Angaben seines Anwalts wird sich der inhaftierte RAF-Terrorist Christian Klar jedoch nicht zur Freilassung Brigitte Mohnhaupts äußern. In der großen Koalition wird weiter über das Urteil debattiert: Während die Justizministerin die Richter verteidigt, spricht ein CDU-Politiker von einer "Ohrfeige für das Rechtsempfinden der Menschen".

Klars Anwalt Heinz-Jürgen Schneider sagte der tageszeitung, sein Mandant sei zu einem Treffen mit dem Staatsoberhaupt bereit. Schneider sagte, Christian Klar werde sich nicht an der öffentlichen Debatte über die Freilassung ehemaliger RAF-Terroristen beteiligen. "Was er sagen wollte, hat er Horst Köhler geschrieben", sagte er.

Der Inhalt des Schreibens unterliege aber der anwaltlichen Schweigepflicht. Klar verfolge die Debatte über das Fernsehen und über die Zeitungen, zu denen er Zugang in der Haft hat.

Klar hatte bereits bei Köhlers Vorgänger Johannes Rau ein Gnadengesuch eingereicht. Köhler lässt derzeit den Antrag prüfen. Meldungen, wonach Bundespräsident Köhler den seit 24 Jahren in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal inhaftierten Klar besuchen wolle, hatte das Bundespräsidialamt dementiert.

Beobachter in Berlin gehen davon aus, dass Köhler eher als sein Amtsvorgänger Rau dazu neige, den inhaftierten Terroristen zu begnadigen.

Zypries verteidigt Stuttgarter Richter

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hat unterdessen die Richter des Oberlandesgerichts Stuttgart wegen ihrer Entscheidung in Schutz genommen. Sie hatten entschieden, die RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt vorzeitig auf Bewährung zu entlassen.

Auf die Frage, ob eine Mindestverbüßungsdauer von 24 Jahren ausreichend sei, sagte Zypries der Bild-Zeitung, es sei allein dem Gericht überlassen, die Mindestverbüßungsdauer bei lebenslanger Freiheitsstrafe mit besonderer Schwere der Schuld festzusetzen.

Die SPD-Politikerin erklärte weiter: "Das halte ich auch für richtig, denn das Gericht kennt den gesamten Sachverhalt am besten und kann deshalb sachgerecht beurteilen, was schuldangemessen ist."

Verschiedene Meinungen bei CDU und CSU

Der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Gehb, nannte das Urteil eine "Ohrfeige für das Rechtsempfinden der Menschen". Der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte Gehb, nach den Buchstaben des Gesetzes sei die Freilassung sicher nicht zu beanstanden.

Der CDU-Politiker sagte jedoch weiter: "Es bleibt in der Bevölkerung aber ein bitterer Nachgeschmack, wenn eine fünffache Mörderin nach 24 Jahren freikommt." Wenn Frau Mohnhaupt nun von Kerner über Beckmann bis zu Maischberger durch die Talk-Shows tingele, werde das einen öffentlichen Aufschrei auslösen.

Bundestagspräsident Norbert Lammert sagte der gleichen Zeitung, die Entscheidung der Stuttgarter Richter sei "nicht populär, aber sachgerecht". Sie entspreche der "Logik des Rechtsstaates", der - wenn er Strafen durchsetze - auch zu Befristungen stehen müsse, "die Gegenstand eines Urteils gewesen sind".

Wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Ende der Haft gegeben seien, dürften im konkreten Fall "keine zusätzlichen Anforderungen nachgelegt" werden, sagte der CDU-Politiker. "Genau hier liegt auch der Unterschied zu einem Begnadigungsverfahren."

Hingegen hat Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) seine scharfe Kritik erneuert. Der CSU-Politiker sagte der Berliner Zeitung: "Frau Mohnhaupt ist viel besser weggekommen als manch' anderer Straftäter." Dies sei nicht richtig. Zudem habe Mohnhaupt nicht zur Aufklärung von Straftaten beigetragen.

Deshalb sei die Gerichtsentscheidung für ihn unverständlich. Die geplante Haftentlassung werde auch den Opfern, deren Angehörigen und den Polizisten nicht gerecht. "Reue und eine Entschuldigung wären angebracht gewesen", sagte Beckstein.

Schleyer-Witwe im Krankenhaus

Nach einem Bericht der Bild-Zeitung liegt die Witwe des von RAF-Terroristen ermordeten Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer seit vier Tagen in einem Stuttgarter Krankenhaus. Die 90 Jahre alte Waltrude Schleyer hatte in den vergangenen Wochen mehrmals gebeten, die Mörder ihres Mannes nicht freizulassen.

Der Gedanke, dass Brigitte Mohnhaupt frei kommen würde, habe sie so sehr umgetrieben, schreibt die Boulevardzeitung, dass sie die Kräfte verlassen hätten.

Mohnhaupt war 1985 unter anderem wegen Mordes an Generalbundesanwalt Siegfried Buback, Dresdner-Bank-Vorstandssprecher Jürgen Ponto, Arbeitgeberpräsident Schleyer und sechs weiteren Menschen zu fünf Mal lebenslänglich verurteilt worden. Sie galt bis zu ihrer Festnahme im November 1982 als Kopf der "zweiten Generation" der Rote Armee Fraktion (RAF).

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