Es ist nicht lange her, da deutete der Richter im NSU-Prozess ein baldiges Ende der Beweisaufnahme an. Er bat die Prozessbeteiligten, weitere Beweisanträge zügig zu stellen. Und nun das: Das Gericht will weitere Termine bis Januar 2018 reservieren. Wird der Prozess niemals enden?
Seit 341 Verhandlungstagen läuft der NSU-Prozess in München, er begann im Mai 2013. Doch die Wahrnehmung trügt, dass er unverhältnismäßig lange dauert. Fünf Angeklagte kämpfen mit 14 Verteidigern gegen immense Tatvorwürfe. Es geht um zehn Morde, 15 Raubüberfälle, zwei Sprengstoffanschläge, mehrere Mordversuche, eine schwere Brandstiftung, Gründung, Mitgliedschaft und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. 62 Nebenkläger nehmen am Prozess teil, 92 Anwälte vertreten sie.
Zum Vergleich: In Berlin läuft seit mehr als 150 Tagen ein Prozess gegen Hells Angels - und dort geht es um einen Mord. Der RAF-Prozess gegen Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe und - bis zu ihrem Selbstmord - Ulrike Meinhof dauerte fast 200 Verhandlungstage - ohne einen einzigen Nebenkläger.
Unerträglicher als die lange Verfahrensdauer wäre es, wenn der NSU-Prozess wie der Prozess um den Mord an Ulrich Schmücker, Linksextremist und V-Mann, endete. Nach fast 600 Verhandlungstagen in insgesamt vier Prozessen wurde das Verfahren wegen unlösbarer Verstrickungen des Verfassungsschutzes ohne Urteil eingestellt. Der NSU-Senat tut alles, um so etwas zu verhindern. Unter Zeitdruck lässt er sich nicht setzen.
Indem es vorsorglich weitere Tage reserviert, wappnet sich das Gericht für alles Unvorhersehbare. Niemand hätte geahnt, dass ein Anwalt für ein nicht-existentes Opfer im NSU-Prozess sitzt oder dass sich Uwe Böhnhardts DNA am Fundort der Leiche von Peggy Knobloch findet. Wer weiß, was noch passiert. Der Senat ist vorbereitet.