Rätsel der Woche:Wem gehört eigentlich der Nordpol?

Wer welche Rechte besitzt, regelt das Völkerrecht. Wichtig ist aber auch, was Geologen sagen.

Von Ronen Steinke

Am Nordpol gibt es kein Land, nur gefrorenes Wasser. Die Arktis ist hohe See, freies Weltmeer, niemandem untertan. Und das heißt: Wer hier Claims abstecken möchte, um sich zum Beispiel Öl oder Gas einzuverleiben, der muss schon etwas völkerrechtliche Kreativität aufbieten. In dieser Woche hat das Innenministerium der USA dem Ölkonzern Shell die Erlaubnis erteilt, im Nordpolarmeer zu bohren, an einer Stelle, die weit draußen liegt. Weit außerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszone Amerikas: in einem Meeresteil, der - auch im Englischen - nach dem ostsibirischen Volk der Tschuktschen benannt ist.

Schon lange läuft ein Wettlauf um Legitimität zwischen den fünf Anrainerstaaten USA, Russland, Kanada, Norwegen und Dänemark (die Polarinsel Grönland gehört zu Dänemark). In ihrem Streit geht es stets um den sogenannten Festlandsockel. Dies ist die natürliche Verlängerung eines Landgebiets unter Wasser - deren Ausdehnung Geologen analysieren. So weit dieser Sockel reicht (oft sind das Hunderte Kilometer), darf nach dem Völkerrecht der Küstenstaat bohren. Warum? Weil die USA es so gesagt haben, in der "Truman-Proklamation" von 1945, mit welcher Amerika erstmals den Anspruch auf die Naturschätze der Arktis erhob. Und weil dann andere Staaten das Argument aufgriffen und für sich nutzten. So entstand Gewohnheitsrecht. 1982 wurde es in das UN-Seerechtsübereinkommen hineingeschrieben.

Seither schicken die Anrainer keine Anwälte mehr aufeinander los, sondern Geologen. Immer öfter, denn unter dem allmählich schmelzenden Eis der Arktis werden 20 bis 30 Prozent der weltweiten Ölreserven vermutet; die Arktis ist ein Eldorado, formulierte kürzlich die Zeit. Russland argumentiert: Sein Festlandsockel reiche so weit, dass ihm sogar der Nordpol gehöre. Kanada und Dänemark aber meinen das auch.

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