Rätsel der Woche:Warum verzichtet Manuel Valls auf den Amtsbonus?

Frankreichs Regierungschef gibt sein Amt auf, um sich als Kandidat in den Wahlkampf um die Nachfolge von Präsident Hollande zu stürzen. Das hat einige Gründe - darunter ein alter Fluch, der den Amtsitz des Premiers umhüllt.

Von c. wernicke

Manuel Valls hat keinen Moment gezögert, den zweitmächtigsten Posten im Staat niederzulegen. Zwar ließ Frankreichs Premier nach der Verzichtserklärung von François Hollande drei lange Tage verstreichen, ehe er am Montag offiziell verkündete, selbst für das Amt des Präsidenten zu kandidieren. Aber das war nur eine Geste minimalen Respekts gegenüber dem Staatsoberhaupt.

Rein theoretisch hätte der 54-jährige Sozialdemokrat weiterregieren dürfen. die Verfassung der V. Republik verbietet keinem Premier das Streben nach dem allerhöchsten Amt. Doch es liegt ein Fluch über dem Hôtel Matignon, dem Amtssitz des Regierungschefs: Niemandem ist es je gelungen, von dort direkt in den Élysée-Palast umzuziehen. Warum nicht? Anders als der Präsident, der wie ein Monarch die Nation verkörpern und sich um die Weltläufte - also Außen- und Verteidigungspolitik - kümmern soll, steht der Premierminister mitten im innenpolitischen Gefecht. Das macht viel Arbeit, viel Feind, wenig Ehr. Der Regierungschef balgt sich im Parlament mit der Opposition, kümmert sich um jeden Kleinkram. Er ist der Prellbock, zu dessen Jobprofil es gehört, alle Attacken auf sich zu ziehen, die auf den Präsidenten zielen. Das weckt Antipathien, kein Wunder, dass Valls den Amts-Malus loswerden wollte.

Bisher versuchten drei Männer, den Bann des Matignon zu brechen. Alle waren Regierungschefs während einer "Cohabitation", zu Zeiten also, da Präsident und Premier verschiedenen Lagern angehören. Die beiden Konservativen Jacques Chirac (1988) und Edouard Balladur (1995) regierten unter dem Sozialisten François Mitterrand, der linke Lionel Jospin (2002) amtierte unter Chirac. Alle drei scheiterten, Jospin wurde im ersten Wahlgang gar nur Dritter hinter dem rechtsextremen Jean-Marie Le Pen. Der Schock traf Valls persönlich: Er war einst Jospins PR-Mann.

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