Das Strafgesetzbuch unterscheidet bei Spionage nicht zwischen verschiedenen Staaten. Ein Partner wie die USA ist juristisch gesehen genauso eine "fremde Macht" wie Iran oder Syrien. Wer für den Geheimdienst einer fremden Macht in der Bundesrepublik spioniert, kann nach Paragraf 99 mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden. In besonders schweren Fällen sind zehn Jahre Haft möglich. Der Generalbundesanwalt in Karlsruhe ist für die Ermittlungen zuständig und führt immer wieder solche Verfahren. Unlängst erhob er Anklage gegen zwei Türken und einen Deutschen, die für den türkischen Nachrichtendienst gearbeitet haben sollen. Naiv wäre aber der Glaube, auch die US-Spitzel ließen sich nun vor ein deutsches Gericht bringen.
Der Generalbundesanwalt hat das Verfahren zum ausgespähten Merkel-Handy eingestellt, weil angeblich die Belege nicht reichten. Nun gibt es durch Wikileaks neuen Stoff. Mehrere Dokumente zeigen, dass der US-Geheimdienst NSA weitere deutsche Politiker und Beamte ausgeforscht hat. Die Bundesanwälte prüfen, ob sie erneut ermitteln müssen. Sie könnten dabei die US-Behörden um Rechtshilfe ersuchen - was freilich nichts bringen wird. Natürlich decken die USA ihre Agenten. Und es geht in der politischen Dimension ohnehin nicht um den einzelnen Spion, der zum Beispiel ein Gespräch der Kanzlerin während ihres Besuchs in Vietnam abfing und protokollierte. Es ist die NSA als Institution, für die Deutsche ein Ziel sind. Schon aus rechtsstaatlichem Ehrgeiz könnten die Strafverfolger trotzdem versuchen, beharrlich zu sein. In Italien ist ein Staatsanwalt vor einigen Jahren mit Verve gegen CIA-Agenten vorgegangen, die einen Imam verschleppt hatten. Ein Gericht in Mailand verurteilte die Agenten zu Haftstrafen - allerdings in Abwesenheit. Amerika lieferte sie nicht aus.