Rätsel der Woche:Darf ein Beschuldigter die Polizei anlügen?

Recht und Ordnung zu vertreten, ist Aufgabe eines Polizisten. Unterlassen muss er aber den Hinweis an einen Verdächtigen, nicht zu lügen. Schon allein deshalb, weil ein Verdächtiger nicht gezwungen ist, sich selbst zu belasten

Von Ronen Steinke

Münchner G'schichten, Folge 7, "Der lange Weg nach Sacramento" (1974). Die Szene spielt im Fasching und bei Nacht. Zwei Freunde tragen Cowboy-Kostüme. Ihnen ist zum Pferdestehlen zumute. An der Reitschule öffnen sie heimlich die Koppel, schwingen sich auf. Kurz darauf: Polizeikontrolle. Frage: Haben Sie was getrunken? Haben Sie die Pferde gestohlen? Antwort: "Naa, die waren so rumg'standen."

In der juristischen Lehrliteratur wäre die Szene instruktiv. In der Praxis kommt es gelegentlich vor, dass Polizisten einen Verdächtigen dahingehend belehren, er habe die Wahrheit zu sagen. Das ist falsch, schon aus dem einfachen Grund, dass ein Verdächtiger nicht gezwungen ist, sich selbst zu belasten (lateinisch: nemo tenetur se ipsum accusare). Es darf ihm später auch nicht strafverschärfend zur Last gelegt werden. In Deutschland hat dieses Prinzip hohen Stellenwert. Polizisten, die so tun, als gebe es ihnen gegenüber eine Wahrheitspflicht, riskieren sogar, dass die irreführende Belehrung später als Täuschung im Sinne des Paragrafen 136a der Strafprozessordnung gewertet wird. "Die Freiheit der Willensentschließung (. . .) des Beschuldigten darf nicht beeinträchtigt werden durch (. . .) Täuschung". Ein so erlangtes Polizei-Geständnis ist ungültig.

Allerdings: Was ein Verdächtiger nicht darf, ist andere falsch beschuldigen. Er darf auch nicht unnötig falsche Ermittlungen auslösen. "Naa, die waren so rumg'standen" - das ist deshalb gerade noch die harmlose Art von Lüge, mit der er sanktionslos davonkommt. In den USA ist in dieser Woche der ehemalige Stabschef des Präsidenten, Michael Flynn, in juristische Schwierigkeiten gekommen, weil er zum Inhalt illegaler Telefonate mit dem russischen Botschafter gegenüber Ermittlern "falsche, fiktive und betrügerische Erklärungen" abgegeben hatte. Nach deutschem Recht hätte er es wohl leichter.

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