Radikaler Siedler:Der heimliche Feind Israels

Ohne Reue und mit Stolz: In Israel wurde ein radikaler jüdischer Siedler verhaftet. Er soll zwölf Jahre lang Terroranschläge auf Araber, Linke, Schwule und Polizisten verübt haben.

Peter Münch, Tel Aviv

Er war vorsichtig gewesen wie immer, hatte den Schutz der Dunkelheit gesucht, hatte Handschuhe angezogen, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, und eine geladene Pistole hatte er sowieso dabei. Yaakov Teitel machte sich in einem Hinterhof des ultra-orthodoxen Jerusalemer Har-Nof-Viertels gerade daran, ein Flugblatt aufzuhängen, als das Einsatzkommando aus Polizisten und Agenten des Inlandsgeheimdiensts Schin Bet zuschlug.

Radikaler Siedler: Yaakov "Jack" Teitel hat Terroranschläge auf Palästinenser und Linke gestanden. Er "würde alles wieder tun", sagt er im Verhör nach seiner Verhaftung durch Polizei und Inlandsgeheimdienst Schin Bet (Schabak).

Yaakov "Jack" Teitel hat Terroranschläge auf Palästinenser und Linke gestanden. Er "würde alles wieder tun", sagt er im Verhör nach seiner Verhaftung durch Polizei und Inlandsgeheimdienst Schin Bet (Schabak).

(Foto: Foto: Reuters)

Sein Fluchtversuch war zwecklos, in einem Treppenhaus wurde er gestellt, und was ihm vorgeworfen wird, wiegt weit schwerer als der Inhalt seiner hasserfüllten Flugblätter, in denen er zu Angriffen auf Homosexuelle aufruft. Yaakov Teitel wird einer ganzen Serie von Terrortaten beschuldigt - ein jüdischer Terrorist ist da offenbar ins Netz gegangen, zu dessen Opfern Palästinenser ebenso gehören wie israelische Friedensaktivisten und Kinder.

Vor drei Wochen schon war Teitel gefasst worden, doch erst jetzt haben Polizei und Schin Bet die Öffentlichkeit informiert. Polizeichef David Cohen spricht von einer "dunklen, gefährlichen Welt", in die die monatelangen Ermittlungen gegen Teitel geführt hätten. Der Beschuldigte hat im Verhör alles zugegeben, ohne Reue und mit Stolz. "Ich würde alles wieder tun", soll er bekannt haben.

Die Serie der Terrortaten begann 1997. Da soll der heute 37-Jährige, der in den USA aufgewachsen ist als Jack Teitel, Sohn eines Zahnarztes im Dienste der US-Armee, nach Israel gekommen sein - mit dem festen Vorsatz, Rache zu üben für die Selbstmordattentate von Palästinensern. Das erste Opfer tödlicher Schüsse war ein palästinensischer Taxifahrer in Ostjerusalem, wenig später musste ein Schafhirte in den Hügeln südlich von Hebron sterben.

Teitel ging zurück nach Amerika, im Jahr 2000 siedelte er endgültig nach Israel über, heiratete und ließ sich in der Siedlung Shvut Rachel 45 Kilometer nördlich von Jerusalem im Westjordanland nieder. Ein Siedler mit radikalen Ansichten, einer, der hier nicht auffiel, der in seinem properen Haus mit Frau und vier Kindern lebte und sein Geld als Designer von Web-Seiten verdiente. Als die Polizei nun das Haus von Teitel stürmte, fand sie ein Bombenlabor und im Garten vergraben ein Arsenal von zehn Waffen sowie reichlich Munition.

Im Laufe der Jahre hat Teitel sein Feindbild erweitert. Von 2006 an nahm er nicht mehr nur Palästinenser ins Visier, sondern auch linke Israelis, abtrünnige Juden, Schwule sowie Polizisten, die Schwulen-Paraden schützen sollten. Seinem Geständnis zufolge platzierte er übers ganze Land verteilt zunächst mehrere Sprengsätze, die wenig Schaden anrichteten, bis er im März 2008 eine Paketbombe in die benachbarte Siedlung Ariel schickte.

"Ein Psychopath, der ein Doppelleben geführt hat"

Adressat war eine Familie messianischer Juden, das sind Juden, die an Jesus glauben. Der damals 15-jährige Ami Ortiz öffnete das Paket und erlitt schwere Verletzungen. Ein halbes Jahr später brachte Teitel eine Rohrbombe an der Eingangstür zum Haus des prominenten Jerusalemer Geschichtsprofessors Zeev Sternhell an. Der Mitbegründer der Friedensorganisation Peace Now wurde zum Glück nur leicht verletzt.

Immer wieder hinterließ Teitel Flugblätter, in denen er sich Namen gab wie "Die rote Hand der Rettung". An Sternhells Haus fand man nach dem Anschlag ein Pamphlet, in dem 200.000 Euro Kopfgeld für die Ermordung von Friedensaktivisten ausgelobt wurden. Warum es trotzdem zwölf Jahre dauerte, bis ihm das Handwerk gelegt wurde, können die Sicherheitskräfte heute nur schwer erklären. Sie sprechen von einem sehr professionellen Einzeltäter, dessen Spur schwer zu folgen gewesen sei. Sie müssen allerdings einräumen, dass er schon einmal vor neun Jahren wegen des Mordes an dem palästinensischen Schafhirten verhaftet worden war. Aus Mangel an Beweisen kam er wieder frei. In der mit 120 Familien recht übersichtlichen Siedlung Shvut Rachel haben die Nachbarn angeblich all die Jahre nichts gehört und nichts gesehen. Auch die Familie will nichts gewusst haben von den Waffen und den Bomben. Seine Frau schweigt, aber ein Sprecher ihrer Familie hat erklärt, Teitel sei "ein Psychopath, der ein Doppelleben geführt hat".

Dieser These jedoch widerspricht der Geheimdienst. Teitel sei "kein Verrückter oder Kranker", wird ein hoher Schin-Bet-Offizier im Armeeradio zitiert. Vielmehr sei er ein Extremist und Überzeugungstäter, der "vorsichtig, entschlossen und geschickt" agiert habe. Und es folgt eine Warnung, die in Israel böse Erinnerungen weckt und neue Ängste nährt. Es gebe noch andere "jüdische Terroristen, die den nächsten Terrorakt ausführen könnten".

Seit der Ermordung von Premier Jitzchak Rabin durch einen jüdischen Rechtsextremisten am 4. November 1995 muss sich Israel nicht mehr nur mit arabischen Terroristen, sondern auch mit dem Feind im eigenen Lager beschäftigen. Der Geheimdienst vermutet Schläferzellen in den Siedlungen im Westjordanland, und in den Diskussionen um mögliche Siedlungsräumungen drohen radikale jüdische Gruppen offen mit Gewalt gegen den Staat. Auch wenn der nun gefasste Teitel ein Einzeltäter gewesen sein sollte, zumindest hat er Verbündete gesucht. Bei seiner Verhaftung trug er einen Rucksack voll mit Flugblättern.

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